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Verloren unter 100 Freunden

Verloren unter 100 Freunden

Titel: Verloren unter 100 Freunden
Autoren: Sherry Turkle
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hatte man das Gefühl, eine endlose Landschaft zu durchqueren, die immer darauf wartete, entdeckt zu werden. Und als Internet-Verbindungen mobil wurden, loggten wir uns nicht mehr am Schreibtisch mittels eines klobigen Heimcomputers ein, aus dem ein Kabelwirrwarr heraushing. Fortan war das Netz bei
uns, an uns, wurde ein ständiger Begleiter. So standen wir nun fortwährend miteinander in Verbindung. Die zweite Richtung war ein Evolutionssprung in der Robotik. Statt nur schwierige oder gefährliche Aufgaben für uns zu erledigen, versuchten Roboter nun unsere Freunde zu sein. Die Resultate dieser Forschungen hielten Einzug in die Kinderzimmer: Ende der Neunzigerjahre bekamen Kinder digitale »Geschöpfe« geschenkt, die Zuwendung verlangten und den Kindern Aufmerksamkeit zu schenken schienen.
    Verloren unter 100 Freunden verfolgt diese beiden Stränge in der Geschichte der digitalen Kultur der letzten fünfzehn Jahre, wobei das Hauptaugenmerk jungen Menschen im Alter von fünf bis Anfang zwanzig gilt – also den »digitalen Eingeborenen«, die mit Handys und Spielsachen aufgewachsen sind, die Zuwendung verlangen. War ich am Ende meiner Recherchen für Leben im Netz besorgt, was der Preis für ein Leben mit Simulationen sein möge, ist meine Sorge während der Recherchen für das vorliegende Buch noch gewachsen. Verunsichert in unseren Beziehungen und voller Angst vor zu großer Nähe, tauchen wir heute in digitale Welten ein, um Beziehungen zu führen und gleichzeitig vor ihnen sicher zu sein; wir bahnen uns einen Weg durch eine Flut an Kurznachrichten; wir interagieren mit Robotern. Ich habe das Gefühl, ein drittes Mal einen Wendepunkt in unseren Erwartungen an Technologie und an uns selbst mitzuerleben. Wir beugen uns dem Leblosen mit übertriebenem Eifer. Wir fürchten die Risiken und Enttäuschungen, die mit Beziehungen zu unseren Mitmenschen einhergehen. Wir erwarten mehr von der Technologie und weniger voneinander.
    In diesem Buch konzentriere ich mich auf meine Beobachtungen der letzten fünfzehn Jahre, aber ebenso beleuchte ich die Vorgeschichte der jüngsten Entwicklungen. Um die Geschichte von Artefakten zu erzählen, die zu Beziehungen animieren, beginne ich mit dem ELIZA-Programm aus den Siebzigerjahren und verfolge die
Entwicklungen bis zu sozialen Robotern wie Domo und Mertz, die im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts am MIT gebaut wurden. Währenddessen hat es viele andere digitale »Geschöpfe« gegeben, darunter Tamagotchis, Furbys, AIBOs, My Real Babys, Kismet, Cog und Paros, wobei Letztere Roboter-Robbenbabys sind, die eigens als Gefährten für Senioren entwickelt wurden. Ich danke den mehr als zweihundertfünfzig Personen, die an meinen Roboter-Studien teilgenommen haben. Einige dieser Leute kamen zu mir ans MIT; oftmals brachte ich Roboter an Schulen, in Jugendclubs und Altenheime. Bei der Arbeit mit Kindern habe ich ihnen, wenn möglich, für einige Wochen einen Roboter mit nach Hause gegeben und sie und ihre Eltern gebeten, ein »Roboter-Tagebuch« zu führen, um das Zusammenleben mit AIBO, My Real Baby oder Furby zu dokumentieren.
    Bei der Geschichte der computergestützten Kommunikation beginne ich meine Betrachtungen in den Achtziger- und frühen Neunzigerjahren mit E-Mail, Chat- und Diskussionsforen und America Online und gehe von dort weiter zu den ersten virtuellen Gemeinschaften und Online-Rollenspielen, an denen eine beliebige Zahl von Nutzern simultan teilnahm. Für das letzte Jahrzehnt, in dem das Internet seine Konturen dramatisch veränderte, habe ich meine Forschung auf mobile Geräte, Blogs, Online-Nachrichten und soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook ausgeweitet. Zu meiner Arbeit zählten auch Studien virtueller Gemeinschaften, in denen dreidimensionale Avatare fotorealistische Räume bewohnen.
    Bei meiner Forschung lag das Hauptaugenmerk auf jungen Menschen, weshalb ich einen Großteil meiner Beobachtungen an Highschools und Colleges durchgeführt habe. Aber ich habe mich auch mit Erwachsenen unterhalten, die mir Einblicke darin gewährten, wie die digitale Vernetzung ihr Elternsein verändert und wie sich die Kommunikationsmuster in Berufsbereichen von Architektur bis
Managementberatung wandeln. Etwa vierhundertfünfzig Personen haben an diesen Studien teilgenommen, rund dreihundert Kinder und hundertfünfzig Erwachsene. Ich danke jedem, der mir im Laufe der letzten fünfzehn Jahre seine Stimme für dieses Werk geliehen hat. Ich bin dankbar für die Großzügigkeit
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