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Verlockend untot

Verlockend untot

Titel: Verlockend untot
Autoren: Karen Chance
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mein Vater Ares war, der Gott des Krieges«, sagte er ruhig.
    Und meine Mutter war der Tod,
dachte ich, behielt die Worte aber für mich, weil ich nicht genug Atem für sie hatte. Ich trat nur aus meinem Körper und packte ihn.
    Ich weiß nicht, ob er meine substanzlose Hand an seiner Kehle spürte, aber er verhielt sich so, als fühlte er etwas. Er wankte zurück und schlug wild um sich, traf aber nur leere Luft, denn was ich jetzt war, konnte er nicht mehr berühren.
    Aber ich konnte ihn berühren, obwohl es für einen langen Moment keine Rolle zu spielen schien. Nichts geschah, wie bei den verdammten Äpfeln. Doch dann, ganz langsam, veränderte sich sein Gesicht.
    Haut wich wie Flüssigkeit von Muskeln und Knochen zurück Die Augen rollten in ihren Höhlen, das Haar wurde grau und weiß und fiel in Büscheln aus, als die Haut verfaulte, in der es steckte. Die Zunge, ein angeschwollenes schwarzes Etwas im Mund, bewegte sich, als er zu sprechen und zu fluchen versuchte, aber dann schrumpfte sie und verschwand, wich in den Schädel zurück wie die Augen, wie alles andere, bis die Knochen knackten und splitterten und die ganze Gestalt zu Staub zerfiel, den der Wind forttrug.
    Einige Sekunden lang starrte ich auf die Abdrücke, die die Füße meines Gegners im weißen Boden hinterlassen hatten und sich schnell mit Regenwasser füllten. Es hatte funktioniert. Ich konnte gar nicht glauben, dass es wirklich funktioniert hatte. Ich … ich hatte gewonnen? Nach einem Sieg fühlte es sich nicht an. Ich fühlte mich benommen, elend und halb verrückt – am liebsten wäre ich schreiend über den Hügelhang gelaufen. Aber das ging nicht, denn ich hatte keine Füße.
    Ich hatte gar nichts, begriff ich, abgesehen von dem bisschen Lebenskraft, das ich beim Verlassen meines Körpers mitgenommen hatte. Und dieser kleine Vorrat ging schnell zur Neige, nachdem ich ihn bei der letzten Phase des Kampfes fast ganz aufgebraucht hatte.
    Ich drehte mich um, fühlte mich auf eine seltsame Art und Weise benebelt und unzusammenhängend, als wollten sich Teile von mir lösen und fortschweben.
    Und dann sah ich meinen kleinen Körper am immer noch brennenden Hügelhang.
    Er war weit entfernt. Wie hatten wir eine solche Strecke zurückgelegt? Daran erinnerte ich mich nicht. Ich erinnerte mich an kaum etwas, abgesehen davon, beobachtet zu haben, wie sich die Haut vom Gesicht des Spartoi löste.
    Wind kam auf, blies glühende Asche durch mich, und ich zuckte zusammen. Ich fühlte nichts von der Asche. Es fiel mir immer schwerer, irgendetwas zu fühlen oder mich zu konzentrieren…
    Ich musste mich bewegen. Ich musste zurück zu meinem Körper, und zwar sofort.
    Es kam zu einer vagen, fließenden Bewegung, die nichts mit normalem Gehen zu tun hatte. Und das war falsch, oder? Im Apartment hatte es sich nicht auf diese Weise angefühlt, oder? Ich konnte mich nicht erinnern. Aber irgendwie war es falsch, irgendetwas schien zu versuchen, mich festzuhalten und zurückzuziehen. Ich drehte mich um und rechnete halb damit, dass ein Teil von mir an etwas festhing, wodurch sich mein metaphysisches Selbst wie Watte in die Länge zog.
    Aber das war nicht der Fall. Dafür sah ich etwas Schlimmeres.
    Eine Wolke aus brodelnder Schwärze hatte sich hinter mir gebildet, groß genug, um den halben Himmel zu bedecken. Es sah wie eine Gewitterwolke aus, doch in Gewitterwolken gab es Blitze, keine schimmernden Federn. Und sie ließen Regen auf die Erde fallen, keine Tentakel aus schwarzem Rauch.
    »Nein«, flüsterte ich und begriff, worum es sich handelte. Mir wurde plötzlich klar, dass ich ohne Körper ein Leckerbissen für jeden vorbeikommenden Geist war.
    Und dann erreichte mich die Wolke.
    Ich schrie und rechnete damit, dass es wehtat, aber das war nicht der Fall. Nein, es tat nicht weh, aber ich spürte, wie ich noch schneller Kraft verlor. Ich hob eine schimmernde Hand, um die dunkle Wolke zu teilen und etwas zu sehen, doch sie wollte nicht, dass ich sah. Wenn ich sah, fand ich vielleicht den Weg zurück zu meinem Körper; dann bekam ich seinen Schutz und den von Pritkins Talisman.
    Pritkin. Der Name brachte Schmerz, und wenn es mir eben noch gelungen war, mich ein wenig zu konzentrieren, so zerfaserten meine Gedanken jetzt. Plötzlich spürte ich ein Brennen, wie von einem Schlag ins Gesicht, das ich nicht mehr hatte. Gefühle… Beim Kampf durfte man sich keine Gefühle leisten, denn Gefühle lenkten ab und brachten den Tod. Immer, in jedem Fall, ohne
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