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Verliere nicht dein Gesicht

Verliere nicht dein Gesicht

Titel: Verliere nicht dein Gesicht
Autoren: Scott Westerfeld
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Leute."
      Shay nickte. "Unheimlich."
      Hässliche Gesichter waren immer asymmetrisch, keine Hälfte sah genauso aus wie die andere. Deshalb nahm die Morpho-Software sich zuerst jede Gesichtshälfte vor und verdoppelte sie, so, als halte sie einen Spiegel genau in die Mitte, um zwei Beispiele von perfekter Symmetrie zu produzieren. Schon jetzt sah jede der symmetrischen Shays besser aus als das Original.
      "Also, Shay, welche hältst du für deine gute Seite?"
      "Warum muss ich symmetrisch sein? Ich hätte lieber ein Gesicht mit zwei unterschiedlichen Seiten."
      Tally stöhnte. "Das ist ein Zeichen für Kindheitsstress. Kein Mensch will so aussehen."
      "Himmel, gestresst will ich natürlich nicht aussehen", schnaubte Shay und zeigte auf das wilder wirkende Gesicht. "Na, was soll’s. Das rechte ist besser, findest du nicht?"
      "Ich hasse meine rechte Seite. Ich fange immer mit der linken an."
      "Na und? Zufällig gefällt mir meine rechte Seite. Sieht härter aus."
      "Na gut. Du bestimmst."
      Tally zwinkerte und die rechte Gesichtshälfte füllte den Bildschirm.
      "Zuerst die Grundlage." Jetzt ging die Software ans Werk. Langsam wuchsen die Augen, reduzierten dadurch die Größe der Nase, Shays Wangenknochen wanderten nach oben, ihre Lippen wurden ein wenig voller (sie hatten jetzt schon fast Pretty-Größe). Jeder Makel verschwand, ihre Haut wurde wunderbar glatt. Der Schädel bewegte sich ein wenig unter den Zügen, die Stirnkante wich zurück, ihr Kinn wurde energischer, ihre Wangenknochen stärker.
      Danach flüsterte Tally: "Wow, das ist schon ziemlich gut."
      "Klasse." Shay stöhnte. "Ich sehe aus wie jede andere neue Pretty auf der ganzen Welt."
      "Ja, sicher, aber wir haben ja auch gerade erst angefangen. Wie wäre es mit ein paar Haaren?" Tally ging rasch die Menüs durch und suchte wahllos eine Frisur heraus.
      Als der Bildschirm sich änderte, warf Shay sich kichernd auf den Boden. Die Hochfrisur ragte wie eine Narrenkappe über ihrem Gesicht auf, die weißblonden Haare passten kein bisschen zu Shays olivbrauner Haut.
      Tally konnte vor Lachen kaum etwas sagen. "Okay, vielleicht nicht die." Sie ließ weitere Frisuren zeigen und entschied sich für ein Basismodell, dunkel und kurz. "Lass uns erst das Gesicht richtig hinbekommen."
      Sie dünnte die Augenbrauen aus und ließ ihren Bogen auf diese Weise dramatischer wirken, sie fügte Rundungen zu den Wangen hinzu. Shay war noch immer zu dünn, auch nachdem die Morpho-Software sie in Richtung Durchschnitt verändert hatte.
      "Und vielleicht eine Spur heller?" Tally brachte den Teint ein wenig näher an die übliche Farbgrundlage heran.
      "He, Scheelauge", sagte Shay. "Wessen Gesicht ist das eigentlich?"
      "Ich spiel doch nur", sagte Tally. "Willst du’s mal versuchen?"
      "Nein, ich will fliegen gehen."
      "Ja, klasse. Aber lass uns das erst noch in Ordnung bringen."
      "Was meinst du mit >in Ordnung bringen      "Klar, es ist toll." Tally verdrehte die Augen. "Für eine Ugly."
      Shay runzelte die Stirn. "Ach, kannst du mich nicht aushalten? Brauchst du irgendein Bild, das du dir vorstellen kannst, um mein Gesicht nicht sehen zu müssen?"
      "Shay! Hör doch auf. Das ist doch nur zum Spaß."
      "Dafür zu sorgen, dass wir uns hässlich fühlen, ist kein Spaß."
      "Wir sind aber hässlich."
      "Dieses ganze Spiel hat nur den Zweck, dass wir uns selbst hassen."
      Tally stöhnte und ließ sich wieder aufs Bett fallen, sie starrte die Decke an. Shay benahm sich manchmal wirklich komisch. Immer redete sie über die Operation, als ob sie dazu gezwungen würde, sechzehn zu werden. "Klar, und alles war toll, damals, als noch alle hässlich waren. Oder hast du da in der Schule gerade gefehlt?"
      "Ja, ja, ich weiß", deklamierte Shay. "Alle beurteilten alle anderen nach ihrem Aussehen. Menschen, die groß waren, bekamen die besseren Jobs, und manche Leute wählten sogar irgendwelche Politiker, weil die nicht ganz so hässlich waren wie andere. Bla, bla, bla."
      "Ja, und Menschen wurden umgebracht, nur weil sie eine andere Hautfarbe hatten." Tally schüttelte den Kopf. Egal, wie oft das in der Schule auch wiederholt worden war, sie hatte das einfach nicht so ganz glauben können. "Was ist also schlimm daran, wenn die Leute jetzt so ziemlich gleich aussehen? Das macht sie eben auch gleich."
      "Wie wäre es, sie klüger zu machen?"
      Tally lachte. "Als
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