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Verliebt, verlobt, verflucht

Verliebt, verlobt, verflucht

Titel: Verliebt, verlobt, verflucht
Autoren: Melanie Neupauer
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gelesen? Ehe das Spektakel im Kamin begonnen hatte?
    »Schweinsnase, ich brauche mein Geschichtsbuch«, brüllte sie in den Gang und hörte sofort das Watscheln des Minitrolls.
    »Haaatschi«, ertönte es aus Richtung ihres Giebelfensters. Ihr kränkelnder Kaktus nieste sich wieder einmal die Seele aus dem Leib und ließ dabei ein paar Stacheln auf das Fensterbrett fallen.
    »Gesundheit«, murmelte Natalie geistesabwesend. Die anderen Kakteen neben ihm schüttelten sich verärgert.
    Sie begann, sich ihres Schlafanzuges zu entledigen und die verhasste, matschbraune Schuluniform überzuziehen.
    Schweinsnase traf schnaufend ein. Natalie nahm ihm das Buch aus der Hand.
    »Danke Schweinsnase, aber jetzt geh wieder in die Küche zurück und back mir rasch eine Handvoll Karamellwaffeln, ja?« Sie tätschelte seinen Schweinskopf. Er grunzte erfreut und verließ das Zimmer.
    Natalie schlug hastig das Kapitel auf, das sie eigentlich hätte lernen müssen. Ach du dicker Trollfuß, ist das viel Text, dachte sie entsetzt. So schlimm hatte sie es gar nicht in Erinnerung. Wenn sie das alles noch abschreiben wollte, blieb ihr keine Zeit mehr für Schweinsnases leckere Karamellwaffeln. Sie fasste einen schweren Entschluss, kniff die Augen zusammen und riss die nötigen Seiten des Kapitels einfach aus dem Buch heraus. Danach wurde ihr fast schwindelig vor Scham. Sie liebte Bücher und beging normalerweise nicht solche Schandtaten, aber andererseits ließ ihr der Geruch der Karamellwaffeln immer mehr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Natalie schwor sich, die Buchseiten später mit Trollrotzleim wieder einzukleben. Behutsam legte sie sie auf den Spiegel und wartete gespannt ab, was nun folgen würde. Kurz zuckte sie zusammen, als sie plötzlich einen silberfarbenen Mund im Spiegelglas erblickte, der keine drei Sekunden brauchte, um alle ihm aufgetischten Seiten gierig zu verschlingen.
    »Mahlzeit«, sagte Natalie dumpf.
    Der Spiegelmund rülpste zur Antwort, bevor er verschwand und wieder das milchige Glas erschien.
    Natalie packte den Spiegel in ihre Schultasche aus grünem Drachenleder und verstaute noch ein Tintenglas, ihre flauschige Schwanenschreibfeder und eine Rolle Pergamentpapier darin.
    Sie verschloss bereits die Tasche, als sie bemerkte, dass sie die purpurfarbene Tinte anstelle der schulüblichen blauen eingepackt hatte. Hastig behob sie ihren Irrtum und tauschte die Tintenfässer der Marke Karawas wieder aus.
    Schuld an ihrer Zerstreutheit war eindeutig der Vorfall von gestern Abend ...Sie hatte einen unbekannten Verehrer, der ihr einen Liebesbrief sowie eine schwarze Rose auf verbotenem Wege zugesandt hatte. Wie aufregend! Natalies Wangen glühten bei der Erinnerung. Vor dem Frühstück muss ich den Brief noch einmal durchlesen, dachte sie und setzte sich an ihre Frisierkommode, zog dort die oberste Schublade heraus und holte ein Holzkästchen hervor. Darin befanden sich all ihre persönlichen Schätze, die sie seit ihrem sechsten Lebensjahr gesammelt hatte. Das Kästchen war mit zartrosa Muscheln verziert und der Schlüssel war aus einer Koralle geformt. Ihr bester Freund Nilo hatte es ihr zum fünfzehnten Geburtstag, der zwei Wochen zurücklag, geschenkt. In diesem Kästchen befand sich auch das Geburtstagsgeschenk ihrer Freundin Gingin, ein pinkfarbenes Haarband, mit dem Natalie seitdem ihre Wuschelmähne einigermaßen bändigen konnte. Sie zog es heraus und band es um ihren dunkelbraunen Lockenkopf. Verärgert betrachtete sie ihr Gesicht und begann, ihre Sommersprossen zu zählen. Sie ließ dabei auch die kleinen nicht aus und kam am Schluss auf dreißig Stück. Zehn Stück mehr als vor zwei Wochen. »Danke für das nachträgliche Geburtstagsgeschenk, Gesicht«, machte sie ihrem Ärger laut Luft.
    »Oh nein!« Mitten auf der Nasespitze hatte sich über Nacht eine kleine Pustel gebildet. Aber für diese Härtefälle hatte sie eine neue Geheimwaffe: Sie nannte sich Bebittas Zauberstift . Diese Wunderwaffe ließ Pickel schrumpfen und mit Make-up verschwinden. Natalie betrachtete nach der Anwendung zufrieden ihr Gesicht. Von der frechen Pustel war fast nichts mehr zu sehen. Der Pickelstift war wirklich sein Geld wert. »Schade, dass er nicht gegen diese Armada von Sommersprossen hilft«, seufzte Natalie. Zu allem Überfluss hatten sie die Form von Sternschnuppen, wovon alle Menschen, bis auf sie selbst, entzückt waren. Abschließend trug sie noch etwas Rouge und Wimperntusche auf.
    Plötzlich verharrte sie. Entgeistert
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