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Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)

Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)

Titel: Verliebt und zugenäht!: Roman (German Edition)
Autoren: Susanne Becker
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war weniger erfreulich. Emmas geschwollene Lider sahen aus wie kleine rosafarbene Raupen, die ihre geröteten Augen umrahmten. Und die Tränensäcke schienen zeigen zu wollen, dass sie für den nächsten Traueranfall schon jetzt genügend Flüssigkeit gesammelt hatten. Sich in den Schlaf zu weinen konnte zwar sehr befreiend wirken, hatte aber offensichtlich äußerst unschöne Spätfolgen. Da halfen auf die Schnelle weder eiskaltes Wasser noch Fettcreme.
    Obwohl Emma verzweifelt eine halbe Stunde lang mit allen vorhandenen Mitteln versucht hatte, die scheußlichen Raupen aus ihrem sonst so ebenmäßigen Gesicht zu vertreiben, sah sie ihr Spiegelbild noch immer ungläubig an. Ihre Haut wirkte nun, nach ausführlichem Gerubbel, noch durchscheinender als sonst. Die Tierchen jedoch saßen weiterhin unterhalb der Augenbrauen, als wären sie dort festgetackert. Schön war das nicht. Aber Emma hatte schließlich keinen Modeljob, bei dem man makellos zur Arbeit erscheinen musste – und sogar Mannequins konnten sich im Zeitalter von Photoshop & Co. geringfügige Schönheitsfehler leisten. Nein, auf Äußerlichkeiten legte Frau Stich bei ihren Angestellten wirklich keinerlei Wert. Immerhin.
    Trotzdem nahm Emma, als sie kurz darauf die Wohnung verließ, außer den kleinen Raupen auch noch eine Sonnenbrille mit. Draußen blies ein eiskalter Aprilwind, der sich auf ihrer noch etwas müden Haut angenehm belebend anfühlte. Vielleicht vertrieb die frische Luft, die im Gesicht fast ein wenig prickelte, auf dem Weg zur Arbeit nicht nur die geschwollenen Lider und Tränensäcke, sondern auch alle negativen Gedanken. Emma wusste aus Erfahrung, dass die morgendliche halbe Stunde auf dem Fahrrad in dieser Hinsicht Wunder wirken konnte, und trat beherzt in die Pedale.
    Über den Bäumen des Englischen Gartens zeigte sich langsam die Sonne, was die Münchner Stadtvögel mit einem begeisterten Morgenkanon bejubelten. »Tirili, tirila, nimm dir ein Beispiel an uns«, schienen sie ihr von allen Seiten zuzurufen, »flieg davon!« Und am liebsten hätte Emma die Arbeit Arbeit sein lassen und wäre zu einer kleinen Radtour aufgebrochen. Ein Duft von Ulmen- und Eschenblüten, der ihr seit der Kindheit wohlvertraut war, lag süß und schwer in der Luft und weckte eine unbestimmte Sehnsucht nach Freiheit.
    Wer wollte sie aufhalten, wenn sie einmal nicht der Pflicht, sondern einzig und allein ihrem Gefühl folgte? Wie weit würde sie wohl kommen, bevor die Nacht oder zumindest unvermeidliche Skrupel einsetzten? Frei und ungezwungen sämtliche Grenzen zu überschreiten, um schließlich erschöpft, aber glücklich im Irgendwo zu landen …
    In Schwabing wäre sie ganz in Gedanken fast am Atelier vorbeigefahren, doch jetzt konnte sie leider noch nicht alles hinter sich lassen. Wann es allerdings so weit sein würde, wusste sie selbst nicht. Im Moment genügte es ihr vollkommen, ab und zu davon zu träumen. Emma schob den Bügel ihres Fahrradschlosses zwischen die Speichen des Hinterrads und drehte sorgsam den Schlüssel um. Dann betrat sie den Verkaufsraum des eher unscheinbaren Ladens und ging sofort weiter in die Werkstatt. Die Kolleginnen waren bereits da, Emma wieder einmal die letzte.
    »So wie du aussiehst, kommst du gerade aus einer ganz anderen Welt«, sagte Mona lachend und konnte natürlich nicht wissen, wie recht sie damit hatte. »Bei mir jedenfalls hat heute früh nicht mal ansatzweise die Sonne geschienen.«
    Emma hatte keine Ahnung, was Mona damit sagen wollte. Sie zog es vor, nur mit »Guten Morgen« zu antworten.
    »Verdammt dunkel hier, oder?« Auch Azubi Jasmin grinste und trat mit ihrer Kaffeetasse zu den beiden anderen.
    »Nun komm schon, nimm das Ding ab«, verlangte Mona und streckte die Hand nach Emmas Gesicht aus, »man könnte ja fast meinen, du versteckst ein blaues Auge.«
    Das nicht, aber zwei dicke, glasige rosa Raupen, hätte Emma am liebsten geantwortet, ließ es aber lieber. Die anderen hielten sie sowieso schon für etwas seltsam, sie mussten nicht wissen, dass sie wegen einer einzigen Standpauke wieder einmal einen ganzen Abend geheult hatte – mit tatkräftiger Unterstützung mehrerer romantischer Kino-Happy-Ends. Emma kam das jetzt selbst idiotisch vor.
    Manchmal wäre sie gern ein bisschen wie die anderen gewesen. Nicht so verträumt, nicht so sensibel, dafür selbstbewusster und souveräner. Mona wurde von der Stichsäge nie aus der Bahn geworfen, da konnte die noch so sehr schimpfen. Und Jasmin tat
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