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Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)

Titel: Verliebt in Paris: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Kate Klise
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Und wo ist deine Tasche?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich eisig. Und fand mich dann umso schrecklicher, weil ich meine Mom angiftete. Ich schluckte heftig und setzte neu an. »Irgendwie hab ich am Flughafen die falsche Tasche mitgenommen. Ich bin so was von blöd.«
    »Du bist nicht blöd«, widersprach Mom. Sie sah sich im Zimmer um. »Hast du deine Büchertasche hier?«
    »Die schon. Die hatte ich im Flieger bei mir. Es geht um die andere Tasche – die, die ich aufgegeben hatte.«
    »Okay, hattest du beide Taschen dabei, als wir durch den Zoll sind?«
    Ich versuchte mir ins Gedächtnis zu rufen, wie wir im Flughafen Schlange gestanden hatten. Da hatte ich zwei Taschen getragen, ganz sicher. Der Zollbeamte hatte mich und meinen Pass gemustert. Dann hatte er ihn abgestempelt – und fertig.
    »Niemand hat meine Taschen geöffnet«, erinnerte ich mich. »Also weiß ich nicht mal, ob ich da noch die richtige bei mir hatte.« Ich fühlte heiße Tränen aufsteigen.
    »Schon gut«, sagte Mom. »Wir fahren zurück zum Flughafen und holen deine Tasche. Kein Drama. Gib mir nur fünf Minuten zum Umziehen. Ich muss aus dieser Bluse raus.«
    Sie machte kehrt und stieß sich prompt an einem Tisch den großen Zeh.
    »Scheiße«, zischte sie. Und humpelte den Flur entlang zum Schlafzimmer.

Verdammter Mist.
    Was hatte ich bloß getan? Webb muss gedacht haben, ich wäre verärgert wegen der Tasche. Zugegeben, das alles wäre nicht nötig gewesen. Doch in Wahrheit ärgerte ich mich über das, was ich mir früher an diesem Tag geleistet hatte.
    Da hatte ich nun einen der größten Aufträge des ganzen Jahres, nämlich eine Ausstellung digitaler Kunst im Palacio de Cristal in Madrid zu gestalten. Doch statt mich vorzubereiten, brachte ich den ganzen Flug von Chicago nach Paris damit zu, mich in Gedanken zu verrennen, die einer Frau in der ersten Klasse galten.
    Sie war mir schon aufgefallen, als wir einstiegen. Da hatte sie bereits ihren Platz eingenommen, las in einer Zeitschrift und trank Rotwein aus einem richtigen Glas. (Das sind die kleinen Vorzüge des Reisens erster Klasse.) Zum Glück ging ich hinter Webb und konnte so meinen Blick etwas länger auf dieser Erscheinung ruhen lassen. Ich versuchte mit meiner ganzen Willenskraft zu erreichen, dass die Dame auf Platz 6B ihren Blick von der Zeitschrift hob, damit ich ihr Gesicht besser sehen könnte, doch sie blieb in ein Kochrezept vertieft. Ich versuchte, es zu entziffern. Irgendwas mit gratin ? Oder rustique ? Ich gab mir alle Mühe, verkehrt herum zu lesen.
    Auf einmal blieb Webb stehen, um einem älteren Fluggast dabei zu helfen, den Rollkoffer ins Gepäckfach zu hieven. Ich rumste geradewegs in meinen Sohn hinein und verlor das Gleichgewicht. Nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber es reichte, um den Arm von Ms 6B anzurempeln, die soeben das Glas an ihre Lippen hob.
    »Verdammt!«, sagte ich, als der Rotwein ihre Bluse befleckte. »Tut mir leid.«
    »Oh!«, gab die Frau von sich und starrte auf den Fleck.
    »Kann ich Ihnen vielleicht …«, setzte ich an.
    Doch eine Flugbegleiterin eilte schon mit einem feuchten Tuch herbei. »Hier, lassen Sie mich mal den Fleck abtupfen«, bat sie Ms 6B. Worauf sie mir wie eine strenge Krankenschwester auftrug, meinen Sitzplatz einzunehmen. »Und zwar jetzt.«
    Die folgenden acht Stunden verbrachte ich benebelt vor geistiger Entrückung in einer mehr als unbequemen Körperhaltung. Wenn ich den Hals in einem absonderlichen Winkel verdrehte, konnte ich sie nämlich von meinem Gangplatz in Reihe 13 aus sehen. Ich sah sie die Beine übereinanderschlagen, erst in die eine Richtung und dann in die andere. Sie trug schicke schwarze Schuhe, die sie bald nach dem Abheben abstreifte. Wir alt mochte sie sein? Vierzig? Maximal fünfundvierzig?
    Ich sah ihr zu, wie sie ihren goldbraunen Pferdeschwanz aufwickelte, bis ein Dutt daraus wurde. Nein, Dutt klingt nach der Generation meiner Mutter, und diese Frau wirkte alles andere als altmodisch. Sie trug eine kantige Brille, die den vollendeten Rahmen für ihr klar geschnittenes Gesicht bildete. In einem früheren Zeitalter wäre sie bestimmt eine Adlige gewesen und hätte für Botticelli Modell stehen können.
    Das Beste war, dass ich niemanden neben ihr sitzen sah. Einen Augenblick lang bereute ich beinahe, den von meiner Kundin beigesteuerten Flugschein für die Businessklasse in zwei Holzklasseplätze für Webb und mich umgetauscht zu haben. Keiner von uns beiden saß bequem, schon gar nicht mein
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