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Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Titel: Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe
Autoren: Insel Verlag
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Arbeit gut, motiviert und gerne und sind für die Gemeinschaft nützlicher als durch halbherzige Duckmäuserei.
    »Weil heute die politische Vernunft« kaum mehr dort anzutreffen ist, »wo die politische Macht liegt« muß, nach Hesses Auffassung, »ein Zustrom von Intelligenz aus nichtoffiziellen Kreisen stattfinden, wenn Katastrophen verhindert oder gemildert werden sollen«.
    Impulse wie dieser bestimmen sein ganzes Werk vom zivilisationskritischen Peter Camenzind , der Schülertragödie Unterm Rad , dem Demian , dessen elektrisierende Wirkung nach dem Ersten Weltkrieg Thomas Mann mit derjenigen von Goethes Leiden des jungen Werther verglich, bis zur Bourgeoisie-Demontage des Steppenwolf und der interdisziplinären Utopie vom Glasperlenspiel , dessen Held die alternative Pädagogische Provinz in dem Augenblick verläßt, als auch sie in Bürokratie und unsozialem Selbstzweck zu erstarren beginnt.
    Seit nunmehr fünf Generationen sind es immer wieder junge Menschen im Alter zwischen 14 und 35 Jahren, die Hesse lesen, in einem Stadium also, wo man noch voller Ideale ist und einen möglichst sinnvollen Platz in der Gesellschaft sucht. In diesem Alter fühlt man sich von seinen Schriften bestärkt, weil sie, gegen den Nivellierungsdruck von außen, das Individuelle und Unverwechselbare, den Eigenwillen stützen. Sobald wir dann ins Erwerbsleben treten, wo man sich ohne Zugeständnisse und Abstriche nicht behaupten kann, empfinden viele ihn als störend, weil er uns den Verrat an unseren Idealen bewußt macht. Im Rentenalter freilich, sobald die Mimikry des Berufslebens überstanden ist, finden nicht wenige wieder zu diesem Autor und den guten Vorsätzen ihrer Jugend zurück. Daraus mag es sich erklären, daß in der Statistik seiner Leser junge und ältere Menschen an der Spitze liegen, während die Jahrgänge des sogenannten Establishments fast fehlen.
    Das thematische Spektrum von Hesses Schriften ist außerordentlich bunt. Die zahlreichen Themenbände, die sich daraus einrichten ließen, seien es nun Hesses Äußerungen zur Politik, zur Literatur, Musik und Malerei, zur Religion, Psychoanalyse oder Erziehung, zu Glück, Humor, Liebe, Jugend, Alter und Tod, seine eindringlichen Natur-, Landschafts- und Reisebeschreibungen sind so prägnant und unverschlüsselt lebensnah, daß sie sich sofort erschließen und nicht auf Interpretation angewiesen sind. Das mag auch damit zusammenhängen, daß kaum etwas erfunden ist in seinen Büchern. Denn dieser Autor schrieb in erster Linie nicht für das Publikum, sondern zunächst einmal für sich selbst, um auf diese Weise die Probleme bewältigen zu können, vor die das Leben und die Zeitgeschichte jeden Menschen stellt und die ihn in Teufels Küche bringen, wenn er begabt und gewissenhaft ist. Weil alles erlebt und oft unter großem Leidensdruck formuliert ist, glückt es ihm, komplizierte Sachverhalte auf die einfachste Weise und mit einer poetischen Präzision auszudrücken, die so prototypisch ist, daß sich auch Menschen, die in ganz anderen Kulturen aufgewachsen sind, darin wiedererkennen. Zwar wirkt der Duktus seiner Sprache mitunter traditionell – denn 1877 geboren, verdankt er die entscheidenden Prägungen noch dem 19. Jahrhundert – doch durch die Patina, die im Verlauf eines Jahrhunderts jede Sprache ansetzen muß, blitzt die Aktualität der Inhalte so überzeugend auf, daß das Formale für den Leser unbedeutend wird.
    Als Anwalt des Einzelnen immer auf der Seite der Benachteiligten, ist Hesse zudem ein eminent politischer Autor. Als erster freiwilliger Emigrant hat er das militante Deutschland bereits 1912 verlassen, in der Schweiz eine Fürsorgezentrale für Kriegsgefangene aufgebaut und die deutsche Politik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunächst journalistisch, dann auf praktische Weise und natürlich auch in seinen Büchern in Frage gestellt. Das haben ihm die jeweils systemkonformen Intellektuellen in Deutschland nicht vergessen. Nach wie vor sind sie es, die das Plebiszit seiner weltweiten Wertschätzung nicht wahrhaben wollen. Schon im Ersten Weltkrieg und erst recht danach wurden Hesses Aufrufe zur Menschlichkeit als unzeitgemäße Humanitätsduselei abgetan und sein Ansporn zur Selbstkritik als eskapistische Innerlichkeit denunziert. »Der Krieg bringt die Welt nicht vorwärts«, schrieb er 1917, »er schiebt nur auf, wirft nur den Leidenschaften vorübergehend neue Ziele hin, und nachher, früh oder spät, wird die soziale Not wieder dastehen,
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