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Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe

Titel: Verliebt in die verrückte Welt - Betrachtungen, Gedichte, Erzählungen, Briefe
Autoren: Insel Verlag
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anzuhören, dann gewinnt gerade die Kürze und Schnelligkeit und Kinderhast unserer Gedanken eine Freudigkeit ohnegleichen. Wer gelernt hat, Bäumen zuzuhören, begehrt nicht mehr, ein Baum zu sein. Er begehrt nichts zu sein, als was er ist. Das ist Heimat. Das ist Glück.
    1918
    G ewiß gibt es ein »Schicksal«. Es ist aber nicht eine blinde Macht von außen, deren Spielball wir sind, sondern es ist die Summe der Gaben, Schwächen und anderen Erbschaften, die ein Mensch mitgebracht hat. Ziel eines sinnvollen Lebens ist, den Ruf dieser innern Stimmen zu hören und ihm möglichst zu folgen. In der Jugend ist das vielleicht schwerer, weil die Persönlichkeit noch nicht fertig ist, und die Wünsche hin und her schwanken und sich auch auf Ziele richten können, die dem Wesen des Wünschenden ganz fremd sind.
    Der Weg wäre also: sich selbst erkennen, aber nicht über sich richten und sich ändern wollen, sondern sein Leben möglichst der Gestalt anzunähern, die als Ahnung in uns vorgezeichnet ist. So haben es alle großen Dichter gemeint, namentlich Novalis, wenn er sagte »Schicksal und Gemüt sind Namen eines Begriffs«.
    Aus einem Brief vom September 1931
    D er liebe Gott spielt mit uns, wie der Musiker mit den Tönen spielt. Na, wir wollen wenigstens unseren Ton singen, so rein wie möglich, jeder den seinen, und hoffen, es werde für den lieben Gott schon ein Konzert draus werden.
    Aus einem Brief von Anfang Januar 1932
    U nsereiner lebt nicht leicht, und empfindet oft die Umwelt als brutal oder als kindisch. Aber wir haben diese Umwelt weder zu fliehen noch sie zu ändern; wir haben ihr so viel zu geben, als wir ohne Schaden von unserm Besten geben können, und sie zu benützen und uns ihr zu fügen, so wie wir unsere eigene Natur, unsern Körper benützen und uns ihm fügen, wo er der stärkere ist.
    Auf einer Postkarte vom Juli 1938
    I ch habe den Eindruck, Sie suchen viel zuviel mit dem Verstand, sonst würden Sie nicht solche Dinge über die Grausamkeit in der Natur sagen können. Sie konnten gerade so gut als Prinzip aller Natur die Liebe entdecken, wie Sie die Grausamkeit entdeckt haben. Das sind Spielereien. Fangen Sie doch dort an, wo Sie selber in Ihrem Leben Aufgaben sehen, an die Sie glauben, wo Sie andern helfen und etwas sein müssen, und fragen Sie sich, ob Sie dem scheinbaren Egoismus der »Natur« folgen oder doch lieber diese Aufgaben auf sich nehmen und damit im eigenen Herzen die Forderung anerkennen wollen. Und dann bleiben Sie bei dem, was Ihr Herz entscheidet.
    Das Leben hat so viel Sinn, als Sie ihm zu geben vermögen. Die Bibel und das Dogma und alle Philosophien sind nur eine Hilfe, diese Sinngebung zu erleichtern. Die Natur, die Pflanze und das Tier, bedarf der Sinngebung nicht, weil sie den Gedanken und die Sünde nicht kennt, sie lebt naiv und unschuldig. Wir Menschen sind weniger als Tiere, wenn wir versuchen wollen, ohne Sinn zu leben. Sinn gewinnt das Leben, wenn wir es, soweit möglich, dem naiven Streben nach egoistischer Lust entziehen und in einen Dienst stellen. Wenn wir diesen Dienst ernst nehmen, kommt der »Sinn« von selbst. Aus einem Brief von ca. 1933
Keine Rast
    S eele, banger Vogel du,
    Immer wieder mußt du fragen:
    Wann nach so viel wilden Tagen
    Kommt der Friede, kommt die Ruh?
    O ich weiß: kaum haben wir
    Unterm Boden stille Tage,
    Wird vor neuer Sehnsucht dir
    Jeder liebe Tag zur Plage.
    Und du wirst, geborgen kaum,
    Dich um neue Leiden mühen
    Und voll Ungeduld den Raum
    Als der jüngste Stern durchglühen.
    November 1913
    I ch kenne dich, bange Seele, nichts ist dir notwendiger, nichts ist so sehr Speise, so sehr Trank und Schlaf für dich wie die Heimkehr zu deinen Anfängen. Da rauscht Welle um dich, und du bist Welle, Wald, und du bist Wald, es ist kein Außen und Innen mehr, du fliegst Vogel in Lüften, schwimmst Fisch im Meer, saugst Licht und bist Licht, kostest Dunkel und bist Dunkel. Wir wandern, Seele, wir schwimmen und fliegen und lächeln und knüpfen mit zarten Geistfingern die zerrissenen Fäden wieder an, tönen selig die zerstörten Schwingungen wieder aus. Wir suchen Gott nicht mehr. Wir sind Gott. Wir sind die Welt. Wir töten und sterben mit, wir schaffen und auferstehen mit unsern Träumen. Unser schönster Traum, der ist der blaue Himmel, unser schönster Traum, der ist das Meer, unser schönster Traum, der ist die sternhelle Nacht, und ist der Fisch, und ist der helle frohe Schall, und ist das helle frohe Licht – alles ist unser Traum,
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