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Verleumdung

Verleumdung

Titel: Verleumdung
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Boedker
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und wählte. Sie hatte das Bedürfnis, die düsteren Gedanken abzuschütteln, und klappte den Sonnenschutz mit dem Make-up-Spiegel herunter. Während sie auf die Verbindung wartete, begutachtete sie sich kritisch. Das brachte sie normalerweise auf andere Gedanken.
    Die Sonne hatte ihr Haar bereits ein wenig ausgebleicht. An sich war es dunkelbraun mit einem rötlichen Schimmer, doch jetzt dominierten die helleren Töne, was ihr eigentlich recht gut gefiel. Andererseits musste sie dringend zum Friseur. Normalerweise trug sie ihr Haar kurz, weil das am praktischsten war, obwohl sie sich hin und wieder ihr langes Haar von früher herbeisehnte.
    Endlich meldete sich jemand am anderen Ende.
    »Ich möchte bitte mit dem Leiter der Voruntersuchung sprechen«, bat sie, »wenn er inzwischen angekommen ist.«
    »Das ist Bodilsen. Aber der hat keine Zeit. Die Hunde sind gerade angekommen, und er ist ziemlich im Stress.«
    Der Polizist war außer Atem, als wäre er gerannt, um den Anruf entgegenzunehmen.
    »Können Sie mich dann vielleicht in den Fall einweisen, damit ich gleich mit der Arbeit anfangen kann, sobald ich ankomme?«
    »Ich weiß nicht, wie viel ich Ihnen da helfen kann. Aber die Leiche liegt in der Nähe eines verlassenen Hauses. Der Besitzer hat vor zwanzig Jahren das umliegende Ackerland erworben, und das Haus gehörte dazu. Ich habe vorhin kurz mit ihm gesprochen. Seither habe niemand mehr dort gewohnt, sagt er. Doch als ich ein bisschen nachgebohrt habe, hat er zugegeben, dass sein Haus ein Treffpunkt für allerlei lichtscheues Gesindel ist, und er meinte, das wäre auch hinlänglich bekannt. Offenbar sucht die Polizei hier immer als Erstes nach gestohlenen Autos und anderem Diebesgut. Das Haus liegt ja schön einsam. Und es ist ganz sicher noch vor kurzem jemand da gewesen, denn außer Kleidungsstücken haben wir auch Lebensmittel gefunden. Na ja … und ein paar Pornohefte.«
    Linnea lächelte sich selbst im Spiegel an.
    »Also nur das Allernötigste«, sagte sie. »Aber ich wollte eigentlich wissen, ob man den Fundort bereits abgesperrt hat, damit er nicht kontaminiert ist, wenn ich anfange zu graben?«
    Der Polizist am anderen Ende der Leitung gluckste.
    »Jetzt verstehe ich, wovon Bodilsen sprach. Als er hörte, dass man Sie angefordert hat, sagte er: ›Eigentlich haben wir unsere Fälle bisher immer ganz gut allein aufgeklärt, auch ohne Experten aus den USA.‹«
    Linnea lachte über die Parodie des Polizisten, der Bodilsens übertriebenen Kopenhagener Dialekt nachgeahmt hatte. Sie konnte sehen, dass sich Boserup, der nur Bruchstücke des Telefonats mitbekam, vor Neugier kaum halten konnte. Offenbar war Linnea ihr Ruf wieder einmal vorausgeeilt.
    »Dann nehme ich mal stark an, er hat schon untersucht, ob man einen Suizid ausschließen kann? Ich gehe davon aus, dass er weiß, was man als Erstes überprüft, wenn man eine Leiche im Wald findet.«
    »Bodilsen sagt, dass die Leiche in der Erde vergraben lag. Sie gehen doch wohl nicht davon aus, dass sich ein Selbstmörder auch noch selbst beerdigt? Mich würde es wundern, wenn es sich hierbei nicht um Mord handelt.«
    Linnea seufzte.
    »Und Bodilsen weiß mit Sicherheit, dass der Tote nicht von irgendjemand anderem, der zufällig vorbeikam, beerdigt wurde, aus irgendeinem Grund, der uns noch nicht bekannt ist? Kann er das zum jetzigen Zeitpunkt bereits ausschließen?«
    Am anderen Ende wurde es still, und Linnea bedankte sich bei dem Polizeibeamten für seine Hilfe und bat ihn, Bodilsen mitzuteilen, dass er sie schnellstmöglich zurückrufen solle. Dann beendete sie das Telefonat. Es war immer wieder verlockend und unterhaltsam, die Provinzpolizisten zu foppen, obwohl der arme Mann natürlich nichts dafür konnte, dass sein Chef ein Trottel war. Nachdem Linnea eine Weile ihren Kopf aus dem Fenster gestreckt und die leichte Brise genossen hatte, schrieb sie auf ihrem Blackberry eine Mail.
    Als sie wieder aufsah, bemerkte sie, dass Boserup sie noch immer verstohlen von der Seite beobachtete.
    »Sie grübeln über die Sache mit dem Suizid?«, fragte sie.
    Er nickte.
    »Das ist ganz banal: Nach oben schauen, ob dort Reste eines Seils hängen. Und nach unten, ob auf dem Boden ein Tablettenröhrchen oder eine Pistole liegen. Jedes Jahr verschwinden Tausende von Menschen. Und viele von ihnen bringen sich um. Die häufigste Todesursache bei einer Leiche, die man im Wald findet, ist Suizid. Und es gibt unzählige Gründe dafür, warum es auf den ersten Blick nicht
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