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Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)

Titel: Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)
Autoren: Thomas Enger
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zurückruft.
    »Jetzt hör endlich auf zu nerven!«
    »Du hast gesagt, du würdest dich melden, wenn du zwei Minuten Zeit hast.« Im Hintergrund ist das Rauschen des Verkehrs zu hören. »Bist du auf dem Weg nach Hause?«
    »Wow, du hättest Ermittler werden sollen. Es ist fünf vor eins, Henning.«
    »Dann lass es uns kurz machen. Eine alte, demente Frau ist ermordet aufgefunden worden. Was ist passiert?«
    »Ich finde, du hast das gut zusammengefasst.«
    »Hm. Erschossen worden ist sie nicht, das hätte man gehört. Außerdem hätte das eine ziemliche Schweinerei gegeben. Deshalb bezweifle ich auch, dass sie mit einem Messer getötet wurde, sonst hättet ihr den Täter sicher schon in Gewahrsam.«
    »Wer sagt, dass wir ihn nicht haben?«
    »Du sagst das. Ich höre es dir an. Du bist müde. Resigniert. Und das wärst du nicht, wenn der Fall bereits gelöst wäre.«
    Brogeland seufzt. »Ich kann dir wirklich nichts sagen, Henning. Aus taktischen Gründen, du weißt schon.«
    »Und wenn ich dir sage, dass ich heute Abend mit einem Angestellten gesprochen habe? Einem Mann mit langen blonden Haaren, der so aussah, als hätte er den Sensenmann persönlich …«
    »Er hat mit dir gesprochen?«, unterbricht Brogeland ihn.
    Henning antwortet nicht.
    »Ich hoffe, er hat nichts gesagt?«
    Auch jetzt antwortet Henning nicht gleich. »Er hat gesagt, er müsse nach Hause zu seinem Sohn.«
    »Verdammt«, faucht Brogeland ins Telefon.
    Es vergehen ein paar Sekunden. Henning ist klug genug, diesen Moment nicht durch weitere Fragen zu stören.
    Schließlich seufzt Brogeland schwer. Und als er kurz darauf an einer Bushaltestelle rechts ranfährt und beginnt zu erzählen, kritzelt Henning ein A4-Blatt mit Buchstaben voll, die er früher ebenso zynisch wie eiskalt zu einem einzigen Wort zusammengefasst hätte.
    Weltklassemord.

MONTAG
    7
    Sie hat sich den Klingelton ausgesucht, weil er sie an das Fest der Feste und reichlich Geschenke erinnert. Trotzdem bringt das Glockenläuten nur selten freudige Nachrichten.
    Sie tastet in Richtung Nachtschränkchen und versucht, das Telefon zu finden, ehe der Lärm Pål Fredrik weckt, der sich immer beschwert, dass sie so früh aufsteht. Schließlich findet sie es und schafft es, mit dem Daumen über die richtige Stelle des Displays zu streichen. Endlich Ruhe.
    Trine Juul-Osmundsen sinkt zurück in die Kissen. Wie viele Stunden Schlaf waren es dieses Mal?
    Nicht genug.
    Mitten in der Nacht ist sie schweißgebadet aufgewacht. In dem Traum, aus dem sie aufgeschreckt ist, hat sie auf einer weiten, offenen Fläche gestanden, umringt von einer riesigen Menschenmenge. Sie konnte weder Hände noch Arme bewegen, versuchte aber trotzdem, sich zu befreien. Panik ergriff sie, als sie den Kopf nach oben drehte und sah, was sich vor dem grauen Himmel abzeichnete. Es glänzte blank und scharf. Jubel brach los, als das Seil durchtrennt wurde und das große, blanke Etwas auf sie zuraste. Sie wusste, das war ihr Ende – und dieses Gefühl war so stark, so lebendig, dass sie hochgeschnellt ist und sich panisch und mit keuchendem Atem an den Hals gefasst hat, noch ehe sie richtig wach war.
    Trine sieht zu Pål Fredrik hinüber, der mit halb geöffnetem Mund daliegt und leise schnarcht. Wenn er fragt, wovon ihre Träume handeln, antwortet sie immer nur vage und ausweichend und mit der Gegenfrage, wie er selbst geschlafen habe. Seine Standardantwort lautet stets: »Ich hab von dir geträumt, mein Schatz. Ich schaffe es nicht, von etwas anderem zu träumen.« Und dann sieht er sie stets mit diesem ungemein charmanten Lächeln an, in das sie sich vor Gott weiß wie vielen Jahren verliebt hat, als sie sich auf einer Konferenz über Wirtschaftskriminalität in Lillehammer begegnet sind.
    Sie widersteht dem Drang, sich noch ein paar Minuten in seine Arme zu schmiegen, ehe der Tag sie gefangen nimmt. Der große, schlanke und muskulöse Mann, der in wachem Zustand vor Energie überschäumt und nichts lieber tut, als auf einem Mountainbikesattel zu sitzen oder ungesichert an einer Felswand zu hängen, liegt jetzt ganz entspannt neben ihr und schläft wie ein Baby.
    Trine hat ihn immer schon um seinen tiefen Schlaf beneidet. Sie kann sich nicht mehr daran erinnern, wann sie zuletzt einfach die Augen geschlossen und tief geschlafen hat. Sie liegt immer lange wach und denkt über den Tag nach, der hinter ihr liegt, über die Menschen und Geschehnisse, die Herausforderungen und wie sie sie meistern soll. Nie schaltet ihr Hirn in
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