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Verirrt in den Zeiten

Verirrt in den Zeiten

Titel: Verirrt in den Zeiten
Autoren: Oswald Levett
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und durchs Zimmer zu jagen, auf und
ab, rastlos, mit fieberglühenden Wangen und wirren Haaren,
die Stirne schweißbedeckt, abgerissene Worte vor sich hin
murmelnd — wie ein Gehetzter, wie ein Besessener.
    Und mitten im Zimmer da stand eine Maschine, reichlich
so groß wie ein Automobil, ein ganzes Wirrsal von Rädern,
Rädchen, Sparren, Bolzen und Schrauben. Das zuckte und vibrierte
und schillerte und oszillierte, wie wenn tausend böse
Geister drinnen stäken; und geheimnisvolle Lichter flammten
auf, vielfarbig wie die Augen eines Dämons.
    An der Maschine nun bosselte und probierte er immer wieder
herum, vertauschte, verbesserte, verfolgte ihren Gang wie
fasziniert. Bald gab er ihr die zärtlichsten Kosenamen wie
einer angebeteten Geliebten, bald hämmerte er mit Fäusten
auf sie los und schimpfte wie ein Fuhrmann.
    Von Michelangelo habe ich irgendwo gelesen, daß er mit
seinen Figuren, die er unterm Meißel hatte, so schimpfte und
so schmeichelte.
    Einmal, als ich wieder an der Türe stand, als ich diese betörten
Zwiegespräche mit dem leblosen Dinge mit anhörte,
als ich dies verzweifelte Ringen mit ansah, da konnte ich mich
nicht enthalten, ich pochte an die Türe und rief ihn laut beim
Namen, bittend, beschwörend, beruhigend.
    Ganz unwillkürlich tat ich’s, so wie man einen Schlafwandler
anruft, wenn er aufs Fenstersims steigt. So unwillkürlich
und so schändlich. Er fuhr zusammen, wirklich wie aus dem
Schlaf geschreckt, und im Nu war er vor der Türe, stand vor
mir mit wutverzerrten Zügen, und es fehlte nicht viel, so hätte
er die Hand gegen mich erhoben. Gegen mich, die Mutter,
die er sonst vergötterte.
    Seither ließ ich es sein; es hätte auch nichts genützt; denn
das Schlüsselloch blieb fortan von innen verhängt.
    Sicher ist, daß diese Erfindung sein ganzes Erbteil und
auch mein Vermögen zum größten Teile verschlang. Sich
selbst gönnte er nicht das bescheidenste Vergnügen, sparte jeden
Pfennig; aber wo’s um die Maschine ging, da kannte er
nicht Maß und Ziel, da opferte er unser Letztes, störrisch wie
ein Trunkener, bedenkenlos wie ein Spieler.
    Wie oft drang ich in ihn: ›Erasmus, komm’ doch zur Besinnung.
Was suchst du, was versuchst du? Versuchst du denn
nicht Gott?‹
    Die Antwort war ein trotziges Lachen.
    Ja, einmal machte er eine Bemerkung wie etwa: diese Maschine,
wenn sie gelänge, sei der beste Beweis gegen die Existenz
Gottes, so daß ich mich ganz entsetzt bekreuzigte.
    Vergebens bat ich ihn, mir doch wenigstens zu sagen, welchen
Zwecken die Erfindung diene, ja, ich setzte alles Zartgefühl
beiseite und hielt ihm vor, ich hätte doch ein Recht zu
wissen, wofür ich mein Vermögen opfere.
    ›Frag nicht, Mutter‹, war die Antwort. ›Du kennst ja meinen
Aberglauben. Nicht umsonst heißt in der alten Sprachebesprechen soviel wie bannen, wie verzaubern. Unfertiges besprechen
heißt es töten. Einstweilen laß es dir genügen:
Wenn’s gelingt, so wird’s das Größte, was je Menschengeist
ersonnen hat.‹«
Sechstes Kapitel
    » S o ging das bis zum Frühling 1906. Immer wieder glaubte er
am Ende angelangt zu sein, und immer wieder narrte ihn dies
Teufelsding. Wohl aber war ich am Ende mit meinem Vermögen
und mit meiner Nervenkraft. Ich fühlte, daß die Entscheidung
herannahe.
    Eines Tages war da so ein Mensch aufgetaucht, ein Fremder.
Plötzlich war er da. Wie die Pest. Man wußte nicht, woher,
wohin.
    Mit dem steckte Erasmus oft beisammen. Offenbar interessierte
er sich irgendwie für die Erfindung.
    Rätselhaft blieb es mir, wie es kommen konnte, daß Erasmus
die Erfindung, die er doch vor jedermann, selbst vor mir,
so strenge geheimhielt, daß er die Erfindung mit allen ihren
Einzelheiten jenem Unbekannten anvertraute. Ich habe es ja
selbst gesehen, wie er ihn ins Laboratorium führte — für mich
war’s stets versperrt —, wie er ihm die Maschine zeigte und erklärte.
    Mir waren diese Zusammenkünfte mit dem Fremden immer
ein Dorn im Auge, und der fremde Mensch war mir vom
ersten Augenblick an ein Greuel. Warum, das kann ich eigentlich
bis heute nicht sagen.
    Nachträglich suchte ich’s mit Eifersucht zu erklären, weil
mein Junge ihm die Geheimnisse anvertraute, die er mir so
ängstlich vorenthielt.
    Möglich; ich glaub’s nicht. Der Instinkt war’s, die Ahnungskraft
des Mutterherzen.
    Aber was das auch für ein Menschenwesen war! Noch
heute, nach achtzehn Jahren, würde ich ihn wiedererkennenunter Hunderttausenden, obwohl ich ihn damals nur etwa
drei-,
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