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Verirrt in den Zeiten

Verirrt in den Zeiten

Titel: Verirrt in den Zeiten
Autoren: Oswald Levett
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Kapitel
    » I ch setzte hohe Belohnungen aus für jeden, der mir Kunde
von ihm brächte, lebend oder tot. Und die dreißig Goldmünzen,
die ich auf seinem Schreibtisch gefunden hatte — es waren
an 3000 Mark in Gold —, die wanderten bis auf den letzten
Pfennig in die Hände von Detektiven, von Agenten und von
Schwindlern aller Art, die mir erzählten, sie hätten Erasmus
da oder dort gesehen, gesprochen, die mir Geld für weitere
Nachforschungen abnahmen, bis der Betrug sich selbst entlarvte.
    Ja, ich schäme mich nicht, es zu gestehen, daß ich auch
Kartenlegerinnen, Wahrsager und Astrologen um Rat fragte.
Was versucht man nicht alles in seiner Verzweiflung?
    Was mir die Kartenlegerinnen und Wahrsager weismachen
wollten, ist nicht wert, erzählt zu werden — obwohl die meisten
darin übereinstimmten, das Erasmus noch lebe.
    Merkwürdig ist der Bescheid, den mir die Astrologen gaben.
Ich hatte mich zu gleicher Zeit an zwei gewendet, um so
die Glaubhaftigkeit ihrer Auskunft wenigstens einigermaßen
überprüfen zu können. Beide hatten einen sehr guten Ruf als
ehrenhafte Menschen und galten als wahre Leuchten ihrer
vorgeblichen Wissenschaft.
    Nachdem ich ihnen, auf ihr Verlangen, Geburtsort und
-datum meines Sohnes, sogar Stunde und Minute der Geburt,
ferner das Datum seines Verschwindens, auch dies bis auf dieStunde genau, mitgeteilt hatte, gaben sie mir folgende Auskunft:
    Ein solches Horoskop hätten sie kaum je gesehen. Es deute
auf einen geheimnisvollen Menschen mit ungeheuren Geistesgaben,
der aber zufolge dieser einzigartigen Begabung tragischem
Geschick verfällt. Am Tage seines Verschwindens
stand der Uranus im Sternbild der Waage, im achten Hause —
sie nennen es die Stätte der Geheimnisse — mit Jupiter in Konjunktion;
Neptunus, das Prinzip des Schleierhaften, des Verborgenen,
steht im vierten Haus, dem Ort der Tiefe. Und in
diesem Hause sind Jupiter und Saturn in Konjunktion. Auch
stehen sie im Trigon zur Sonne und zum Monde. Eine solche
Konstellation, die doppelte Konjunktion Uranus, Jupiter, Saturn,
zählt zu den ungeheuerlichsten Seltenheiten, sie tritt
kaum alle dreihundert Jahre ein, und sie bedeutet: Außerordentliches
und Unaufgeklärtes.
    Die Astrologen taten noch ein übriges. Sie beriefen sich auf
seltsame, unerklärliche Ereignisse, die am selben Tage, womöglich
zur Stunde, da mein Sohn verschwand, statthatten.
    Der eine erzählt: Die beiden Vulkane Peschan und Hotscheu
in der Gebirgskette des Tian-shan — sie sollen ein ganz
abnormes Phänomen darstellen, denn sie sind die einzigen
noch tätigen Vulkane im tiefen Binnenland und sind gleich
weit vom nördlichen Eismeer und vom indischen Ozean entfernt
— diese beiden Vulkane brachen nach fast dreihundert
Jahren Ruhe furchtbar aus und überfluteten den Umkreis auf
viele Meilen weit mit ihren Lavaströmen.
    Der andere Astrolog berichtet: Den Bewohnern des mexikanischen
Hochlands ist die Erscheinung des »Donners von
Guanaxuato« in dunkler und erschreckender Erinnerung. Sie
nennen es bramidos y truenos subterraneos, Gebrüll und unterirdisches
Gedonner. Es ist, als ob im Innern der Erde mächtige
Massen von Gewitterwolken dahinzögen, die sich bald
mit fernhin rollendem Getöse, bald mit einzelnen furchtbaren
Donnerschlägen entladen. Im Jahre 1784 hatte sich die Erscheinung
zum letztenmal gezeigt. Humboldt hat sie beschrieben.Und am Tage, da Erasmus verschwand, brach sie
aufs neue los. So ungeheuer, so entsetzenvoll, daß die blühende
Bergstadt Guanaxuato in wenigen Stunden verödet dalag.
    Beide Astrologen, übereinstimmend, gaben an: Am
25. April 1906, dem Tage, da Erasmus verschwand, gegen
drei Uhr nachmittags, wurde in verschiedenen Teilen Dalekarliens
am Rande des Horizontes eine mächtige Feuerkugel
gesehen, welche in steilem Bogen und mit zunehmendem
Glanze den Himmel hinabschwebte, bis sie nach einer Dauer
von etwa zehn Minuten unter ungeheurem Getöse in Flammen
und Rauch aufging. Merkwürdigerweise wurde diese
furchtbare Erscheinung sonst nirgend auf der ganzen Erde,
auch von keiner Sternwarte, beobachtet, obwohl sie zufolge
ihrer Größe auf der ganzen nördlichen Hemisphäre hätte
wahrgenommen werden müssen — so daß man sie mit einer
Massensuggestion der sonst so nüchternen Bevölkerung Dalekarliens
erklärte.
    Die Astrologen schlossen — und auch darin herrschte Übereinstimmung:
Sie glaubten nicht, daß Erasmus am Tage seines
Verschwindens gestorben sei. Irgendwie sei er verschollen,
entrückt — auf eine
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