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Verheißung Der Nacht

Verheißung Der Nacht

Titel: Verheißung Der Nacht
Autoren: Jennifer Blake
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auf, naß, dunkel und schützend. Die Zweige, die sie beiseite schob, schlössen sich hinter ihr wie ein grünes Tor. Sie hörte, wie Keith rief, sie solle zurückkommen, doch sie rannte immer weiter. Nie wieder würde er sie anrühren, weder aus Leidenschaft noch aus Rache, und ganz sicher nicht aus Wut. Nie wieder.
    Sie hörte seine Schritte. Oder waren es vielleicht ihre eigenen, ihr eigener keuchender Atem und das Blut, das in ihren Ohren rauschte? Sie lief schneller.
    Ihre Ehe war vorüber. Das Glücksgefühl, das sie bei diesem Gedanken verspürte, war so groß, dass sie am liebsten laut gejubelt hätte. Vielleicht hatte Keith es ja jetzt endlich begriffen.
    Bäume. Sie schienen von allen Seiten auf sie einzudringen. Riesige Kiefern mit einem Kranz dichter Nadeln um ihre Wurzeln. Flüsternde Zedern, von einem so dunklen Grün, dass sie beinahe schwarz aussahen. Massive Gummibäume mit riesigen grünen Blättern. Zitternde Ahornbäume mit rotgeäderten Blättern und grauen, silbrig schimmernden Flechten auf der Rinde. Knorrige alte Schwarzeichen. Große, ausladende weiße und rote Eichen. Hickorybäume mit Blättern wie Speerspitzen und winzigen grünen Blüten.
    Die ausladenden Äste über ihr hielten auch noch das letzte, schwindende Licht ab und hüllten alles in ein grünes Dämmerlicht. Dichtes Unterholz wuchs zwischen den Bäumen; Wildblumen, Unkraut, wilder Wein und Dornensträucher machten es unmöglich, mehr als nur ein paar Meter weit zu sehen. Doch genauso unmöglich war es, gesehen zu werden.
    Cammie liebte Bäume, schon seit sie ein Kind war - ein Erbteil der mütterlichen Seite ihrer Familie. Die Frauen der Greenleys liebten Pflanzen jeglicher Art, doch ganz besonders Bäume.
    Ihre Großmutter war es gewesen, die Cammie mit in den Wald genommen hatte, in das Wildreservat, das bis an den Rand ihres Grundstückes reichte. Die ältere Frau hatte ihrer Enkelin alle Arten von Bäumen gezeigt, als stelle sie ihr alte, liebgewordene Freunde vor.
    Als Cammie größer wurde, hatte sie an den biegsamen Ästen des Sassafras geschaukelt, war in den kühlen Schatten der Bäume geklettert, um dort einen Platz zu finden, an dem sie ungestört lesen konnte. Manchmal, wenn niemand sie sah, preßte sie die Hände an die Rinde einer Eiche, eines Lorbeerbaumes, einer Esche oder einer Kiefer und glaubte, sie könne das Leben unter der Rinde fühlen.
    Nie zuvor hatte sie sich im Wald verlaufen.
    Als sie schließlich atemlos stehenblieb, stellte sie fest, dass Keith ihr nicht länger folgte. Der Wald um sie herum war still und grenzenlos.
    Ein leiser Wind fuhr durch die Wipfel der Bäume. Cammie erschauerte. Sie rieb sich Arme und Schultern und sah sich um. Besorgt erkannte sie, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie den Weg zur Straße finden sollte; sie wusste nicht einmal, in welcher Richtung ihr Wagen stand.
    Es schien beinahe, als hätte der Wald, den sie so liebte, sich gegen sie gewandt, genau wie der Mann, den sie geheiratet hatte.
    Natürlich war das lächerlich. Die dichten Wälder des Wildreservates erstreckten sich über mehr als dreißigtausend Morgen, und sie kannte davon nur den kleinen Teil, der an ihr Grundstück grenzte.
    Das Reservat nahm einen großen Teil der Gemeinde ein, in der Cammie lebte. Hinter der Papierfabrik erstreckte es sich fast um die ganze Stadt Greenley herum. Der Ort, an dem Cammie sich im Augenblick befand, war sicher nur wenige Meilen von ihrem Zuhause entfernt, doch quer durch den Wald würde sie höchstens zwei oder drei Meilen gehen müssen. Wenn sie die Richtung wüsste , könnte sie den Weg leicht finden. Es gab einige Straßen, die das Gebiet durchschnitten, es standen sogar Häuser dort. Sie musste nach Südosten gehen, dann traf sie bestimmt auf eine der Straßen. Und sicher fand sie dann auch jemanden, der sie nach Hause fahren konnte.
    Die grauen Schatten unter den Bäumen wurden langsam dunkler, und es gab keine Möglichkeit festzustellen, in welche
    Richtung sie gehen musste . Sie konnte im Kreis laufen, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrach. Also war es vielleicht besser, wenn sie blieb, wo sie war, und auf den Morgen wartete. Sicher würde es ihr dann leichter fallen, sich zu orientieren. Aber der Gedanke, die Nacht hier im Wald zu verbringen, war nicht gerade sehr verlockend.
    Sie ging langsam weiter. Ihre nasse Bluse klebte ihr am Körper, und die Äste der Dornensträucher und der Büsche verfingen sich in der dünnen Seide. Ihre Jeans waren schwer vor Nässe, das
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