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Verheißenes Land

Verheißenes Land

Titel: Verheißenes Land
Autoren: Leonie Britt Harper
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heranziehen konnten.
    »Verdammt, haltet gefälligst das Seil straff!«, brüllte Brendan alarmiert, als sich das Floß mit seinem Heck plötzlich flussabwärts drehte.
    Obwohl sie sich inzwischen gut auf der Mitte des Sweetwater befanden, wäre vermutlich nicht viel passiert, wenn sich das Floß nicht über den Rücken eines der Ochsen gelegt hätte, die angebunden neben dem Floß schwammen. Das Tier drohte darunterzugeraten und geriet in Panik. Brüllend warf es den mächtigen Schädel hoch und versuchte, sich zu befreien, wobei es dem schwankenden Gefährt einen heftigen Stoß versetzte.
    Éanna hatte sich am Wagenkasten festgehalten, kippte bei dem unerwarteten Stoß, der das Floß ruckartig anhob, jedoch jäh nach hinten. Dabei rutschten ihre Stiefel auf den glitschigen Stämmen aus und sie verlor das Gleichgewicht.
    Bevor sie wusste, wie ihr geschah, stürzte sie auch schon mit einem gellenden Aufschrei rücklings in die eisigen Fluten. Instinktiv streckte sie die Arme aus und versuchte noch, das hintere Ende des Floßes zu fassen zu bekommen, aber die Strömung war zu stark. Ihre Hände fanden keinen Halt und sie konnte nichts gegen die Fluten ausrichten, die sie fortrissen.
    »Éanna ist über Bord gestürzt!«, schrie Emily entsetzt, während ihre Freundin wild im Wasser um sich schlug und sich an der Oberfläche zu halten versuchte. »Um Himmels willen, wir müssen sie retten! … Brendan! Liam! Mein Gott, so tut doch was!«
    Entsetzte Schreie kamen von beiden Seiten des Flusses.
    »Aber was denn? Ich kann nicht schwimmen!«, schrie Brendan hilflos zurück, der selbst um ein Haar den Halt auf dem Floß verloren hätte.
    »Ich auch nicht«, kam es kläglich von Liam.
    Jemand schrie: »Wir müssen ihr ein Seil zuwerfen!«
    Auch Patrick hatte gesehen, wie Éanna vom Floß katapultiert worden war, und im ersten Moment des Schreckens war ihm das Herz stehen geblieben. Doch dann zögerte er keine Sekunde. Er beachtete den Ruf nach einem Seil gar nicht, denn er wusste, dass sie weder schnell genug einen Strick zur Hand haben noch Éanna damit rechtzeitig erreichen würden. So schnell er konnte, zerrte er sich die Stiefel von den Füßen und rannte dann am Ufer flussabwärts, um mit Éanna auf eine Höhe zu kommen. Erst dann würde er eine Chance haben, zu ihr schwimmen zu können. Im Laufen riss er sich seine Jacke vom Leib und warf sie hinter sich.
    »Halt aus!«, schrie er Éanna vom Ufer aus zu und rannte, so schnell er konnte. »Versuch, ein bisschen näher ans Ufer zu kommen!«
    Aber schon während er ihr diese Worte zurief, sah er, dass es ihr nicht gelingen würde. Die Strömung war einfach zu stark und sie konnte nicht schwimmen. Immer wieder tauchte sie unter und wenn ihr Kopf endlich wieder aus den schäumenden Fluten auftauchte, würgte sie Wasser hervor und rang verzweifelt nach Atem.
    Patrick spürte überhaupt nicht, dass spitze Steine im Ufersand wie Messerspitzen durch seine Socken stießen und seine Fußsohlen blutig schrammten. Seine unsägliche Furcht, Éanna könne vor seinen Augen ertrinken, beherrschte alles in ihm und ließ weder Schmerz noch Angst um sein eigenes Leben zu. Er musste sie vor dem Devil’s Gate erreichen, sonst würde er sie nicht mehr fassen und an Land bringen können. Denn dort verengte sich das Flussbett und drängte die Wassermassen zusammen, sodass der Fluss noch reißender wurde. Und keiner wusste, ob in den dahinterliegenden Schluchten nicht Stromschnellen oder gar Wasserfälle lauerten, die für sie beide den Tod bedeuten konnten.
    Als er Éanna um etwa zwanzig Schritte überholt hatte, wagte er den entscheidenden Sprung in den Fluss und hechtete aus dem Lauf heraus in die Fluten. Das Wasser schlug über ihm zusammen und ihm war, als hätte sich ein Eisblock um ihn geschlossen, der ihm den Brustkorb zusammendrückte. Die Kälte raubte ihm den Atem und schien ihn lähmen zu wollen. Mit aller Kraft wehrte er sich gegen die Macht des Wassers, tauchte auf und riss den Kopf in den Nacken. Mühsam kämpfte er gegen den eisigen Druck und pumpte neue Luft in seine Lungen.
    Dann suchte er nach Éanna. Doch er hatte sich verschätzt. Die Strömung brachte sie nicht näher zu ihm, sondern hatte sie schon einige Körperlängen an ihm vorbeigetrieben. Wie einen Korken sah er ihren Kopf in den Wogen auf und ab tanzen.
    »Gib nicht auf, Éanna!«, brüllte er und mobilisierte alle Kraft, um sie einzuholen. »Ich bin gleich bei dir! Halte durch!«
    Die Angst um Éanna trieb Patrick
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