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Verheißenes Land

Verheißenes Land

Titel: Verheißenes Land
Autoren: Leonie Britt Harper
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an und ließ ihn die Kälte vergessen, die wie zahllose Dornen aus Eis bis in seine Knochen drang. Wenn er sich nicht beeilte, würde das eisige Wasser sie in kürzester Zeit lähmen und dann wäre nicht nur Éanna, sondern auch er verloren. Entsetzt sah er, dass Éannas Kräfte nachließen und sie immer länger untergetaucht blieb. Unerbittlich trieben die Fluten sie wie einen Spielball der Schlucht entgegen. Patrick nahm alle Kraft zusammen und schwamm keuchend auf sie zu.
    Unzählige Schläge später hatte er sie endlich eingeholt, bekam sie an ihrer Bluse zu fassen und riss sie zu sich heran. Ihr Gesicht war von Todesangst verzerrt und nur mühsam röchelte sie nach Luft. Panisch klammerte sie sich an ihn und drückte sich mit verzweifelter Gewalt nach oben. Patrick drohte untergetaucht zu werden und schrie bestürzt: »Hör auf, Éanna! Halt dich an meiner Schulter fest!« Doch sie hörte ihn gar nicht, sondern krallte sich mit aller Kraft an ihn. Patrick sah keinen anderen Ausweg, als ihr eine kräftige Ohrfeige zu verpassen. Erst da kam Éanna wieder zu sich und er konnte sie endlich ans Ufer ziehen. Es kostete seine letzten Reserven, um sie beide der Gewalt der eisigen Strömung zu entreißen und in seichtes Uferwasser zu bringen. Sie hatten Glück, denn der Sweetwater vollführte vor ihnen einen weiten Bogen nach links, um eine knappe halbe Meile dahinter zwischen den schroff aufragenden Felsen des Devil’s Gate hindurchzuschießen. Die Biegung erleichterte es Patrick, an das rechte Ufer zu kommen, da die Strömung sie nun genau in diese Richtung trieb.
    Patrick quälte sich dem rettenden Ufer entgegen, das zu einer mit hohen Sträuchern dicht bewachsenen Anhöhe anstieg. Ein letzter gewaltiger Kraftakt, dann stießen seine Füße endlich auf Grund. Er richtete sich auf, packte Éanna um die Hüfte und zog sie wie einen nassen Sack an Land, wo sie beide hustend und würgend zusammenbrachen.
    Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich einigermaßen erholt hatten und ihr Atem wieder etwas gleichmäßiger ging. »Oh Éanna! Musstest du erst in den Fluss stürzen, damit ich dir wieder nahe kommen durfte?«, versuchte er zu scherzen und zog sie in seine Arme. Zitternd versuchten sie, sich zu beruhigen und etwas aufzuwärmen. Die Sonne hatte zu dieser Abendstunde zwar immer noch beachtliche Kraft, konnte aber die Kälte, der sie ausgesetzt gewesen waren, so schnell nicht vertreiben. »Allmächtiger, was hast du mir für einen entsetzlichen Schrecken eingejagt! Ich bin vor Angst um dich tausend Tode gestorben.«
    Éanna klammerte sich an ihn, als wollte sie ihn nie wieder loslassen, und stieß schluchzend Worte hervor, die keinen zusammenhängenden Satz ergaben. Die Todesgefahr, in der sie geschwebt hatte, die Anstrengung, mit der sie um ihr Leben gekämpft hatte, und die unsägliche Erlösung schienen zu viel gewesen zu sein. Patrick sah ihr an, dass sie nicht wusste, was sie ihm zuerst sagen sollte.
    Schließlich unterbrach er ihr weinendes Gestammel und strich ihr zärtlich die nassen Strähnen aus dem Gesicht. »Lass es gut sein, Éanna. Du musst mir nichts erklären. Das Einzige, was ich mir von dir erhoffe, lässt sich in drei schlichten Worten ausdrücken. Aber ist dein Herz auch bereit dafür?«
    Sie sah ihn an und Tränen liefen über ihr Gesicht, als sie nickte. Es dauerte eine Weile, bis sie sprechen konnte, doch dann sagte sie schluchzend: »Ich liebe dich. … Ich liebe dich, Patrick, hörst du? Ich liebe dich schon so lange, dass ich gar nicht mehr weiß, wie es vorher war. Aber willst du mich denn überhaupt noch? Ich war so dumm … Ich hatte Angst, weil ich dachte, dass …«
    Patrick schüttelte sanft den Kopf und legte einen Finger auf ihre Lippen. Auch er hatte Tränen in den Augen. »Natürlich will ich dich noch«, flüsterte er leise. »Nichts auf der Welt will ich mehr als dich.«
    Ganz vorsichtig, als hätte er Angst, sie zu zerbrechen, nahm er ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie. Ihre eiskalten Lippen berührten sich sachte und Patrick schloss fassungslos über sein Glück die Augen, als von jenseits der Anhöhe die lauten Rufe von Daniel und einigen anderen zu ihnen drangen. Schnell fuhren sie auseinander, als die Männer durch das Gebüsch brachen, und ließen sich zurück zu den Wagen bringen.
    Doch nun, da sich auch Éanna endlich ihren Gefühlen geöffnet hatte, konnten sie sie nicht mehr in ihrem Innersten verschließen. Für den Rest des Tages blieben sie zusammen und immer
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