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Verheißenes Land

Verheißenes Land

Titel: Verheißenes Land
Autoren: Leonie Britt Harper
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um ihre Taille legten und sie so mühelos hochhoben, als wäre sie leicht wie ein Sack Daunenfedern.
    Aber es waren nicht Brendans Hände, die nach ihr gegriffen hatten. Sie blickte in das Gesicht eines jungen Manns, der nur wenig älter als Brendan und Liam sein konnte. Er hatte kräftige, markante Züge, eine strohblonde Haarmähne, einen kurz getrimmten Schnurrbart und strahlend himmelblaue Augen, die sie vergnügt anblitzten.
    »Nur gemach, Miss! Decksplanken sind unsicherer Boden für uns Landratten.«
    Verdattert blickte sie den Fremden an, der sie wie eine Puppe in der Luft hielt, sodass ihre Füße einige Handbreit über dem Boden schwebten. Dann stieß sie heftig atmend hervor: »Und während ich hier in der Luft zappele, entkommt der Dieb, der unseren Geldbeutel gestohlen hat!«, schnaubte sie.
    »Aber Sie zappeln so zauberhaft«, gab der Mann unbeirrt zurück und blinzelte sie an.
    Trotz ihrer Wut auf den Dieb musste Éanna sich zusammenreißen, um nicht mitzulachen. »Genauso zauberhaft sehe ich aus, wenn ich wieder sicheren Boden unter den Füßen habe«, konterte sie.
    Der Blonde grinste anerkennend und setzte sie sanft ab. »Gewiss doch, fremde Schöne. Gestatten, Daniel Erickson, aus Schweden eingewandert und Euch stets gern zu Diensten, Miss«, sagte er schmunzelnd.
    In diesem Moment bahnte sich Brendan hinter ihnen einen Weg durch die Menge, gefolgt von Emily und Liam.
    »Was geht hier vor sich?«, stieß er aufgeregt hervor und starrte den Fremden, der Éanna gerade noch im Arm gehalten hatte, feindselig an. »Ist das der Dieb, Éanna? Hat er dir wehgetan?«
    »Um Gottes willen, nein! Ich bin gestürzt und da hat er mir aufgeholfen«, antwortete Éanna schnell und war froh, dass Brendan den Wortwechsel mit Daniel Erickson nicht mitbekommen hatte. »Der Dieb ist irgendwo auf dem Kabinendeck verschwunden. Wahrscheinlich hat er sich längst in ein Versteck verkrochen!«
    »Mach dir nichts draus«, sagte Emily und lächelte tapfer, obwohl ihr der Schock noch immer in den Knochen saß. »Zum Glück habe ich in dem Brustbeutel nur ein bisschen Kleingeld gehabt, bestimmt nicht mehr als sechzig oder siebzig Cent.«
    »Das andere Geld haben wir woanders versteckt, wo so schnell keiner drankann«, raunte Liam ihr leise zu.
    »Na und? Diebstahl bleibt es trotzdem! Und dafür gehört dieser Schuft bestraft.« Éanna war noch immer empört.
    Brendan nickte. »Ja, du hast recht. Trotzdem können wir froh sein, dass nicht mehr gestohlen wurde. Das wird uns eine Lehre sein, demnächst noch besser …«
    Brendan hatte noch nicht ausgesprochen, als vom Oberdeck eine laute Stimme erschrocken rief: »Um Gottes willen, da vorne brennt es! Das Feuer muss gleich hinter der Flussbiegung sein!«
    Sofort war der nächtliche Diebstahl vergessen und alle stürzten an die Reling, um zu sehen, was es mit dem Feuer auf sich hatte. Mit jedem Augenblick gewann der rot flackernde Schein an Helligkeit.
    »Da brennt ein Raddampfer. Wahrscheinlich sind die Kessel explodiert, weil sie zu stark eingeheizt haben«, kam die nüchterne Stimme eines Besatzungsmitglieds aus der Menge. »Würde mich nicht wundern, wenn es die Lewis & Clark oder die Gallant ist. Nicht das erste Wettrennen, das so endet. Und ganz sicher nicht das letzte!«
    Es war die Lewis & Clark. Die Explosion hatte den Raddampfer in zwei Teile gerissen, die von der starken Strömung auf eine Sandbank nahe des Westufers getrieben worden waren. Die Überreste standen lichterloh in Flammen. Ein gutes Stück oberhalb hatte die Gallant am Ufer festgemacht.
    Von dort rief man ihnen zu, dass sich das Unglück vor knapp einer Stunde ereignet hatte. Auf dem brennenden Wrack war kein Lebenszeichen mehr auszumachen. Die Mannschaft der Gallant hatte schon alle Überlebenden der Katastrophe geborgen und an Bord genommen.
    Der Captain der Selkirk dachte offensichtlich keinen Augenblick daran, seine Fahrt zu unterbrechen und den Gestrandeten zu Hilfe zu kommen. Und auch auf die Mannschaft hatte der Unfall wenig Eindruck gemacht. »Tja, die Lewis & Clark war immerhin schon fast vier Jahre im Dienst. Wundert mich, dass die überhaupt so lange durchgehalten hat«, stellte einer der Flussschiffer ungerührt fest.
    Ein anderer pflichtete ihm bei und fügte hinzu: »Viel länger hält sich hier nun mal kein Raddampfer. Hat bestimmt eine Menge Tote gegeben – das wird ein schöner Mief, wenn die in den nächsten Wochen ans Ufer gespült werden.«
    Keiner von beiden schien das Entsetzen der
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