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Verheißenes Land

Verheißenes Land

Titel: Verheißenes Land
Autoren: Leonie Britt Harper
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beschreibt die Leiden der Familie Sullivan«, erklärte Patrick. Tiefer Kummer schlich sich in seine Stimme, als er fortfuhr: »Die Sullivans gehörten zu den unzähligen armen Bauernfamilien, die bei der jahrelangen Kartoffelfäule alles verloren haben. Sie wurden gewaltsam von ihrem kargen Stück Land und aus ihrer kleinen Hütte vertrieben und bis auf eine Tochter, Éanna, sind alle elendig verhungert oder an Krankheit gestorben.«
    »Und ausgerechnet in Éanna hast du dich verliebt«, sagte Samuel mitfühlend, der diesen Teil von Patricks Lebensgeschichte schon kannte.
    Patrick nickte und dachte an den Tag zurück, als Éanna ihm zum ersten Mal begegnet war. In ihrer Not hatte sie versucht, ihm seinen Spazierstock mit dem silbernen Griffstück zu stehlen, um ihn bei einem Pfandleiher zu versetzen.
    »Nie im Leben hätte ich mir das vorstellen können. Ich war damals ganz schön verwöhnt und habe blendend vom Geld meines reichen Onkels gelebt«, gestand er. »Und trotzdem habe ich schon bei unserer ersten Begegnung gespürt, dass Éanna etwas Besonderes ist. Und als wir uns dann jeden Sonntag getroffen haben und sie mir von ihrem Leben erzählt hat, ist sie mir immer mehr ans Herz gewachsen. Das waren die schönsten Stunden meines Lebens. Und jetzt hocke ich auf diesem verdammten Schiff, während sie mit diesem … mit ihren Freunden auf dem Weg nach Independence ist und schon bald mit einem Siedlertreck nach Westen zieht. Verflucht soll das Miststück Caitlin sein!«
    »Besser, du gewöhnst dich langsam daran, dass du dem Seemannsleben so schnell nicht entkommen wirst«, sagte Samuel trocken und stopfte die Asche im Pfeifenkopf mit seinem schwieligen Daumen nach unten.
    »Von wegen«, widersprach Patrick sofort. »Ich denke nicht daran! Bei der ersten Gelegenheit, die sich mir bietet, werde ich sehen, dass ich von Bord komme. Koste es, was es wolle!«
    Samuel warf ihm einen mitleidigen Blick zu. »Da wirst du lange warten müssen, das kann ich dir sagen. Der Captain ist nicht auf den Kopf gefallen. Er weiß genau, dass du die ersten Monate den Gedanken an Flucht nicht aus dem Kopf kriegst. Deshalb wird er es mit dir genauso machen wie mit mir und allen anderen, die nicht freiwillig hier sind: Sobald wir einen Hafen anlaufen, wird er dich unten im Frachtraum einsperren und anketten und erst herauslassen, wenn wir wieder auf See sind. Finde dich lieber damit ab, dass du eine ganze Weile hier bleiben wirst. Das ist der beste Rat, den ich dir geben kann. Irgendwann gewöhnt man sich daran. So schlecht ist das Leben auf See gar nicht, wenn man erst seinen Platz gefunden und alle Handgriffe gelernt hat.«
    Patrick schüttelte heftig den Kopf. »Nein! Es muss doch einen Weg geben zu flüchten!«
    »Ja, in ein paar Jahren vielleicht, in irgendeinem Hafen, in dem der Captain keine Probleme hat, Seeleute anzuheuern.«
    »Ein paar Jahre?« Patrick lachte bitter auf. »Unmöglich, Samuel, so lange kann ich nicht warten. Ich muss so bald wie möglich von Bord kommen! Ich muss, verstehst du? Es darf einfach nicht sein, dass Flucht unmöglich ist. Irgendeine Möglichkeit muss es doch geben!«
    Samuel schwieg eine Weile und zog nachdenklich an seiner Pfeife, während Patrick verzweifelt über das Meer in die Nacht starrte. Niedergeschlagen fuhr er sich mit der Hand über das schwarze, leicht gewellte Haar und vergrub sein Gesicht in den Händen.
    »Meinst du es wirklich ernst?«, holte Samuel ihn plötzlich aus seinen dunklen Gedanken. Er blickte ihn eindringlich an. »Was bist du bereit zu riskieren?«
    Patrick fuhr hoch. »Mein Leben, wenn es sein muss! Ich würde alles tun, um von hier wegzukommen. Alles!«
    »Du bist eine stattliche Erscheinung, Patrick, außerdem jung und kräftig. Aber kannst du auch schwimmen?«, fuhr sein Gegenüber fort.
    »Ja, natürlich.«
    »Ich meine nicht nur ein bisschen herumpaddeln und planschen. Kannst du dich länger als ein paar Minuten über Wasser halten?«, bohrte Samuel nach.
    »Und ob«, versicherte Patrick. Erst letzten Sommer hatte er manchmal Stunden im Wasser verbracht und seine Ausdauer im Schwimmen trainiert. »Sag bloß, du hast eine Idee, wie ich dem Captain und seinem Schiff entkommen könnte?«
    Samuel zuckte unschlüssig mit den Schultern. »Mag sein. Aber was mir da gerade durch den Kopf gegangen ist, kann dir den Tod bringen, wenn du nicht wirklich ein guter Schwimmer bist. Du wirst meilenweit schwimmen müssen.«
    »Das kann ich«, bekräftigte Patrick aufgeregt. »Und nun
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