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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben
Autoren: Neil Cross
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Weile. Sie tranken Tee, und Pete spielte ihnen das Demo seiner Band vor. Bob nickte im Takt; er schien es zu mögen. Er versprach, zu Petes nächstem Konzert zu kommen. Sie wussten alle, dass er nicht kommen würde. Dann bedankte er sich bei Pete und sagte zu Nathan, er habe sich gefreut, ihn kennenzulernen.
    »Wir sehen uns«, sagte Bob.
    Nicht, wenn ich dich zuerst sehe, dachte Nathan. Aber er sagte: »Du musst doch eine Vermutung haben – eine Meinung.«
    »Wozu?«
    »Dazu, was sie sind. Die Geister.«
    »Sie sind alles Mögliche. Täuschungen, Einbildungen, Halluzinationen. Elektromagnetische Phänomene, die auf den Schläfenlappen wirken. Infraschall. All das und mehr. Was viele nicht wissen, ist, dass die meisten Geister Astralleiber der Lebenden sind. Den Geist eines lebendigen Menschen bezeichnet man auch als Doppelgänger.«
    »Doppelgänger?«
    »Ja.«
    »Na klar.«
    »Es stimmt«, sagte Bob mit der Aktentasche in der Hand.
    Er verabschiedete sich, und sie hörten ihn die Treppe hinunterstampfen, dann das Quietschen und Zuschlagen der Haustür.
    »O Mann«, sagte Nathan. »Wo hast du den denn aufgegabelt?«
    Sie lachten.
    Pete schlug auf dem Bass den Riff von » Ghostbusters« an.
    Nathan fragte: »Ist das wahr, was du ihm erzählt hast?«

    Er sah Bob viereinhalb Jahre lang nicht wieder.

3
    In jenem September starb der tolerante alte Besitzer des Hauses in der Maple Road und vererbte es seiner Tochter, die es sofort zum Verkauf inserierte. Da die Mieter nicht vertraglich geschützt waren, verstreuten sie sich in alle Winde.
    Nachdem Petes Band Odorono sich aufgelöst hatte, zog er in ein besetztes Haus in London. Einige Jahre später entdeckte Nathan ihn auf einem kleinen Foto im Melody Maker : Aus Odorono waren die Odorons geworden. Sie brachten ein einziges unabhängiges Album heraus, bevor sie sich aufgrund musikalischer Differenzen trennten. Nathan war einer der wenigen, die die CD kauften, sie hieß The Malibu Stacey Sessions . Er hörte sie dreimal und versuchte jedes Mal, sie zu mögen, aber es gelang ihm nicht. Also stellte er The Malibu Stacey Sessions ganz hinten in seine Sammlung, wo sie ihn nicht wegen seiner Gleichgültigkeit beschämen konnte.
    Nun war Weihnachten 1997.
    Nathan arbeite seit drei Jahren in der Redaktion eines lokalen Radiosenders für die Late-Night-Show Mark Derbyshires Lösung . Der Moderator Mark Derbyshire hatte einen Bierbauch, schütteres Haar und einen säuberlich gestutzten Bart, der seine verblüffende Ähnlichkeit mit einem Biber nicht verschleiern konnte. Er trug Satinhemden in den Grundfarben und ließ die beiden obersten Knöpfe immer offen.
    Normalerweise konnte man sich darauf verlassen, dass die einsamen Zuhörer von Mark Derbyshires Lösung ihre Meinung zum aktuellen Tagesgeschehen herausposaunten. Wenn die Nachrichtenmeldungen sich nicht zum Late-Night-Talk eigneten, musste Nathan irgendeinen aktuellen Fall zu Tage fördern, bei dem es um Kindesmissbrauch, Satanismus, Einwanderung, Kindsmord, Krebs-Wunderheilungen, absurde Political Correctness oder den Beitritt zur EU ging. Diese Arbeit nannte sich Recherche, hauptsächlich bestand sie aber darin, die Daily Mail zu lesen.
    Wenn das Themensortiment für die Einsamen in angemessen haarsträubende Form gebracht worden war, behielten Mark Derbyshire und der Showproduzent (ein zwielichtiger ehemaliger Zeitungsjournalist mit rotem Gesicht namens Howard) Nathan nur noch da, um jemanden demütigen zu können.
    Ein großer Teil von Nathans Job bestand folglich darin, zur nächsten Tankstelle oder zu einem vierundzwanzig Stunden geöffneten Supermarkt zu gehen, um Tampons, extradicke Kondome, Abführ- oder Gleitmittel zu kaufen. Manchmal auch alles auf einmal. Ab und zu, wenn Mark besonders großzügig war, schickte er Nathan stattdessen den Jaguar waschen. Gelegentlich wurde er auch mit einer Tasche voller Fünf-Pfund-Scheine losgeschickt, um in den frühen Morgenstunden Fremde anzusprechen – auf der Straße, auf den Vorplätzen noch geöffneter Tankstellen, an Taxiständen – und sie nach dem Codewort des Abends zu fragen, das von Mark festgelegt worden war: Es konnte ganz einfach Riesen-BH heißen oder auch Atom-Saddam oder Mark Derbyshire ist eine Sexmaschine!
    Mit der Zeit wurde diese Einlage beinahe ein fester Bestandteil des Programms. Schließlich bekam sie auch einen Namen: Eine Faust voll Fünfer, in Zusammenarbeit mit Infinity Motors Ltd. Mark schickte Nathan um zwei Uhr morgens mit zweitausend Pfund
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