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Vergraben

Vergraben

Titel: Vergraben
Autoren: Neil Cross
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du?«
    »Holly sagt, du hattest Schlafstörungen.«
    »Meine Güte, Jacki. Ich hatte Stress.«
    »Warst du deswegen beim Arzt?«
    »Ja, das war ich zufällig.«
    »Gut. Und hat er dir was verschrieben?«
    »Ja, das hat er.«
    »War das zufällig Temazepam?«
    »Ja, das war es.« Er wartete. Zählte drei Atemzüge. »Warum?«
    »Bob Morrow hat Temazepam genommen. Eine ungeheure Menge. Der Whisky hat seine Wirkung verstärkt.«
    »Aha«, sagte Nathan und kratzte sich an der Innenseite des Handgelenks.
    »Wann warst du beim Arzt?«
    »Keine Ahnung. Vor ein paar Tagen.«
    »Also hast du die Tabletten noch?«
    Er aschte in die Spüle.
    »Nein, die hab ich nicht mehr. Ich hab nie gern Tabletten geschluckt. Ich hab sie ins Klo geworfen, sobald ich zu Hause war.«
    »Das mache ich auch immer. Grässliche Dinger.«
    »Wenn man nicht schlafen kann, ist es am besten, wenn man es einfach durchsteht.«
    »Ganz meine Meinung. Aber du solltest vielleicht lieber etwas Temazepam da haben. Du weißt schon. Zur Sicherheit. Nur für den Fall, dass jemand danach fragt.«
    »Werden sie das?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Ich weiß nicht, wo ich noch welches herkriegen soll, ohne noch mal zum Arzt zu gehen.«
    »Du wirst schon einen Weg finden. Du bist ja nicht auf den Kopf gefallen.«
    Nathan fasste sich ans Orläppchen. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Zufällig hat Morrow in der Vergangenheit auch schon Überdosen von Medikamenten genommen – und einen oder zwei Selbstmordversuche begangen, als er jünger war. Er ist ein bisschen komisch geworden, nachdem seine Mutter gestorben ist.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Er hat wahrscheinlich nicht gern drüber gesprochen. Er war siebzehn. Schwieriges Alter, um seine Mutter zu verlieren.«
    Nathan nickte.
    »Und das Glas als Beweisstück, wenn es ein Beweisstück war, wurde zerstört. In der ganzen Hektik muss jemand es umgestoßen haben. Es ist zerbrochen. So was passiert.«
    »Muss wohl.«
    »Wir sind auch nur Menschen. Also werden diese Dinge vielleicht gar nicht mehr erwähnt. Wahrscheinlich nicht.«
    Nathan befeuchtete sich die Lippen mit der Zungenspitze.
    »Okay«, sagte er.
    Jacki stellte ihre Tasse ab und machte sich bereit zu gehen. Sie suchte ihre Taschen nach dem Autoschlüssel ab. Währenddessen sagte sie: »Lass ihr Zeit.«
    »Alle Zeit, die sie braucht.«
    Jacki nahm ihren Mantel und kramte in den Taschen nach dem Schlüssel. Der Mantel klimperte. Da war er.
    »Du warst ihr immer eine gute Freundin«, sagte Nathan.
    »Na ja, das hab ich ihr auch versprochen.«
    Sie streifte sich den Mantel über und verabschiedete sich. Sie ging den Flur entlang und ließ den Autoschlüssel an ihrem Zeigefinger baumeln.

40
    Sechs Wochen später wurden Elises sterbliche Überreste freigegeben. Sie wurde auf dem Grundstück der Kirche von Sutton Down begraben, in der Nathan und Holly geheiratet hatten. Einige Zeitungsjournalisten waren da, aber keine Kameras.
    Als es vorbei war, umarmte June Nathan und küsste ihn. Graham drückte ihm beide Hände. Es herrschte eine große Distanz zwischen ihnen. Sie hatten seit dem Morgen, als Holly ihn verlassen hatte, nicht mehr miteinander gesprochen. Sie wussten nicht, was sie einander sagen sollten.
    Fast das ganze Dorf schien da zu sein, und viele von Elises Schulfreunden, die jetzt älter waren. Einer von Elises Exfreunden war da. Er begrüßte Graham und June zögerlich. Zuerst erkannten sie ihn nicht. Er hatte zugenommen und sein Haar hatte sich etwas gelichtet. Sein Anblick brachte June zum Weinen. Sie berührte sein Gesicht.
    Nathan betrachtete die Szene.
    Die Trauergemeinde verstreute sich. Nathan knöpfte sich den Mantel zu und ging zum Tor.
    Er hörte energische Schritte hinter sich.
    Holly.
    Sie nahm seinen Arm.
    Er vergrub die Hände tief in den Taschen, drehte sich zu ihr um und sagte: »Hi.«
    Sie hatte abgenommen: Sie war magerer im Gesicht. Und sie hatte sich die Haare geschnitten. Sie waren jetzt viel kürzer und glänzten rot und herbstlich auf dem uralten Friedhof. Sie trug einen schwarzen Mantel, schwarze Schuhe. Sie hatte eine kleine schwarze Handtasche bei sich, Lackleder mit einer Schnalle aus gebürstetem Stahl.
    Er sah auf seine eigenen, glänzend schwarzen Schuhe und fragte: »Wie geht’s dir?«
    »Besser. Und dir?«
    »Geht so. Na ja.«
    »Wie läuft’s bei der Arbeit?«
    »Alles wie gehabt. Justins Frau hat ihn verlassen.«
    Holly grinste.
    »Wie kommt er damit klar?«
    »Ganz gut. Wir haben plötzlich eine Menge
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