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Vergossene Milch

Vergossene Milch

Titel: Vergossene Milch
Autoren: Chico Buarque
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die Mama ihr schenkte, was den Kleidern gegenüber ungerecht war. Ich selbst schlug ihr ein graues Kleid mit Stehkragen vor, als wir zum Tanzen ausgingen, weil es ein kühler Abend war. Doch sie bestand auf dem orangefarbenen Kleid mit schmalen Trägern. Und als ich ihr die Autotür zum Einsteigen aufhielt, sah ich ihre nackten Schultern und fand, sie sei schöner, als ich sie je gesehen hatte. Ich sah auch ein Stück von ihren sonnengebräunten Schenkeln, als der Portier des Assirius ihr die Autotür zum Aussteigen aufhielt. Dubosc erwartete uns am Eingang zum Saal und verbeugte sich tief, um ihr die Hand zu küssen, Jean-Jacques,
enchanté
. Unser Tisch stand in der Nähe der Kapelle, und mit seiner Trompetenstimme bestellte er beim Kellner
Batida de Limão
. Das waren die einzigen Wörter, die er auf Portugiesisch sagen konnte,
Batida de Limão
, und ich forderte ihn auf, es noch einmal zu sagen, weil Matilde seinen Akzent lustig fand. Dubosc fing an, unsere Fauna, Flora und Wasserfälle zu rühmen, aber ob Matilde ihn verstand, weiß ich nicht. Zwar sah sie ihn sehr beflissen an, wie sie da auf der Stuhlkante saß, aber ich merkte, dass sie unterhalb der Taille Foxtrott tanzte. Und sie trommelte den Takt des Charleston auf dem Tisch mit, während ich ihr laut und deutlich die Ockerfelsen im Roussillon beschrieb, der Heimat unseres Dubosc. Mittendrin stimmte die Kapelle das Thema an, das ich so oft von weitem von Matildes Grammophon vernommen hatte.
Le maxixe
! rief der Franzose aus, fabelhaft, dieser Rhythmus der Neger! Und er bat uns zu tanzen, damit er sich ein Bild machen konnte. Aber ich konnte nur Walzer tanzen und antwortete, er würde mir eine Ehre erweisen, wenn er meine Frau aufforderte. In der Saalmitte umfassten sie sich, sahen einander an und blieben so stehen. Unvermittelt drehte er sie halb herum, trat mit dem linken Fuß zurück, während Matilde mit ihrem Rechten einen weiten Schritt nach vorn tat, dann verharrten sie wieder eine Weile, während der sie über ihn gebeugt stand. Es war eine präzise Choreographie, und ich wunderte mich, dass meine Frau diese Schritte kannte. Sie verstanden sich als Paar perfekt, aber ich erkannte schnell, was an ihm erlernt und was an ihr natürlich war. Der Franzose, sehr groß, war ein hölzerner Hampelmann, der mit einer Stoffpuppe spielte. Vielleicht lag es an dem Kontrast, dass sie unter Dutzenden von Tänzerinnen glänzte, und ich merkte, dass der ganze Nachtclub von ihrer Darbietung hingerissen war. Doch genau besehen, waren es geschmacklos gekleidete, mit Schmuck behängte, geschminkte Leute, und nach und nach hatte ich das Gefühl, dass auch an Matildes Bewegungen mit den Schultern und Hüften etwas übertrieben war. Die Kapelle spielte ohne Pause, die Musik war monoton, der Tanz erwies sich als vulgär, zum ersten Mal hielt ich die Frau, die ich geheiratet hatte, für etwas vulgär. Nach einer halben Stunde kamen sie sich befächelnd zurück, und Matilde lief der Schweiß vom Hals ins Dekolleté. Bravo, rief ich, bravo, und ermunterte sie, auch noch den nächsten Tango zu tanzen, aber Dubosc sagte, es sei schon spät und ich sähe müde aus. Müde war er, denn er bat mich, ihn zu seinem Hotel zwei Straßen weiter zu fahren, und dann ging er, ohne sich richtig zu verabschieden, küsste nicht mal Matilde die Hand. Vielleicht war er im Laufe des Abends zu dem Schluss gekommen, dass sie die Richtige zum Maxixe-Tanzen war, aber nicht, um ihr die Hand zu küssen. Und auf dem Weg nach Hause fing Matilde an zu pfeifen, sie pfiff die Melodie des besagten Maxixe. Für mich war das schlechtes Benehmen, einmal hatte sie bei einem Abendessen bei meiner Mutter gepfiffen, worauf Mama vom Tisch aufgestanden war. Doch nun musste sie gemerkt haben, wie sehr mich das aufregte, denn sie brach ab und fragte, was ich hätte. Nichts, Sodbrennen, sagte ich, und das war nicht gelogen, mein Magen vertrug keine Cachaça, neuerdings war es Mode, sie auch in feinen Lokalen zu servieren. Sie stieg aus, bevor ich ihr die Tür öffnen konnte, und kaum waren wir im Haus, ging sie in die Küche, sie hatte den Tick, immer in die Küche zu gehen. Alle naslang nahm sie die Kleine mit in die Küche, schwatzte mit den Hausmädchen, häufig aß sie da mit der Kinderfrau zu Mittag. Da kam ein dunkles Gefühl in mir hoch, eine Mischung aus Scham und Wut, weil ich eine Frau liebte, die ständig in der Küche saß. Ich ging hinter Matilde her, sie redete vor sich hin, halb singend fragte sie nach
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