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Vergossene Milch

Vergossene Milch

Titel: Vergossene Milch
Autoren: Chico Buarque
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ihrem Boldotee, und plötzlich wusste ich nicht, was in mich gefahren war, ich packte sie brutal von hinten. Ich warf sie gegen die Wand, und sie verstand nicht, sie gab nasales Wimmern von sich, ihr Gesicht flach an die Fliesen gepresst. Ich drückte ihre Handgelenke an die Wand, sie wehrte sich, aber ich bezwang sie mit den Knien in ihren Kniekehlen. Und mit meinem Leib quetschte ich sie platt, presste sie kräftig, erdrückte sie fast an der Wand, bis Matilde sagte, ich komme, Eulálio, und sie zitterte am ganzen Körper, so dass mein Körper mit ihr zusammen zitterte.

12
    Es war die letzte Nacht , in der ich hier geschlafen habe, und weil ich von ihr geträumt hatte, habe ich die Laken beschmutzt. Wie jeden Morgen werde ich die Bettwäsche abziehen, sie zu einem Bündel wickeln und hinten im Haus aus dem Fenster werfen, damit die Waschfrau sie abholt. Aber auf der Matratze wird noch ein feuchter Fleck zu sehen sein, und ich werde sie umdrehen, so wie jeden Morgen, damit die Seite mit den trockenen Flecken nach oben kommt. Ich werde das Gefühl haben, dass die Matratze jeden Tag etwas schwerer wird, und mir vorstellen, dass die Paste meiner Träume und einsamen Taten in das Strohpolster einzieht. Und denken, wenn ich den Körper meines Vaters in seiner Garçonnière umgedreht hätte, dann wäre er genauso schwer wie die Matratze gewesen und hätte genauso gerochen. Ich werde nie den Anblick meines Vaters vergessen, wie er bäuchlings auf dem blutdurchtränkten Teppich lag und wie der Kommissar mich daran hinderte, ihn anzufassen. Er hätte mich gar nicht anschreien müssen, auch nicht am Arm festhalten, ich wollte nur nicht meinen Vater so liegen lassen, mit offenem Mund direkt auf dem Teppich. Und ich wollte nachsehen, wo so viele Kugeln eingetreten waren, denn es sah aus, als wäre ihm sein ganzes Blut aus dem Mund gelaufen, dieser großen Wunde. Aber Sie unterbrechen mich immer mit Ihrem Doktor Assumpção, ich habe doch schon gesagt, dass ich kein Doktor bin. Ich bin nie Arzt gewesen, das wissen Sie genau, Senhora, ich bin Patient in Ihrem Haus. Ich habe Ihnen auch schon gesagt, dass das
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in Assumpção stumm ist. Wenn Sie es aussprechen, klingt es, als wollten Sie mich verhöhnen, als wollten Sie zu verstehen geben, dass ich aus einer Angeberfamilie komme. Und wo Sie schon Stift und Papier in der Hand halten, können Sie ruhig gleich einen Bericht aufnehmen und Ihrer Angestellten die Arbeit erleichtern. Die Arme bekommt einen Hungerlohn für die Nachtwache, kümmert sich um alle gleichzeitig und muss auch noch meine Memoiren aufschreiben. Als Sie mich geweckt haben, hatte ich zufällig gerade von der Villa in Botafogo geträumt, und ich wette, meine Mutter hat die Matratze noch am selben Tag verbrennen lassen. Das Bett im Chalet in Copacabana war ein Doppelbett, sonst hätte sie es beim Umzug mitgeschickt. Mama hat alles verwendet, was sie für die Einrichtung des Hauses gebrauchen konnte, und ein paar Möbel hat sie aus zweiter Hand gekauft, weil sie mit der Hals-über-Kopf-Renovierung schon große Ausgaben gehabt hatte. Die Ankündigung, dass ich heiraten wollte, kam für sie überraschend, und sie verweigerte mir sogar ihren Segen, solange ich nicht mein Diplom in der Tasche oder mir eine Arbeit besorgt hätte. Die juristische Fakultät kam nicht in Frage, ich setzte kaum einen Fuß da hinein, aber eine Stelle fand ich auf Anhieb. Matildes Vater kam mir äußerst liebenswürdig entgegen, er versicherte mir, der Sohn des Senators Eulálio d’Assumpção habe einen Stammplatz in seinem Büro, er wollte sich sogar um eine beschleunigte Aufnahme in die Partei für mich bemühen. Mächtig stolz berichtete ich meiner Mutter von meinem Erfolg, worauf sie höchst verstimmt reagierte und fragte, ob ich den Mord an meinem Vater schon vergessen hätte. Ich war für einen Augenblick sprachlos, ich konnte mir meinen künftigen Schwiegervater nicht mit einer Pistole in der Hand vorstellen und erst recht nicht seine dicke Frau als Schlüsselfigur eines Verbrechens aus Leidenschaft. Aber meine Mutter bezog sich auf unsere politischen Gegner, denn die waren für sie nach wie vor die Drahtzieher hinter der Tat. Ich war nicht recht auf dem Laufenden über die politische Situation, ich wusste nicht, dass Matildes Vater, dessen Karriere im Windschatten meines Vaters gediehen war, mit Freuden zur Opposition übergelaufen war. Und da ihr klar war, dass sie gegen Matilde nicht ankommen würde, bot Mama mir einen Monatswechsel
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