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Vergissmichnicht

Vergissmichnicht

Titel: Vergissmichnicht
Autoren: Eva-Maria Bast
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Essens«, erklärte Stefanie.
    »Hat der auch Eis?«, wollte Tim wissen.
    »Ganz viel sogar.«
    Sie war dankbar für das muntere Geplapper ihrer Kinder, das sie von ihrer Nervosität ablenkte.
    Es hatte lange gedauert, bis sie stabil genug gewesen war, dass Andreas es wagen konnte, ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Danach hatte es sie noch einmal kräftig gebeutelt. Ihr Vater ein Mörder und sie bei einer Vergewaltigung entstanden. Obwohl sie nichts für die Umstände ihrer Zeugung konnte, hatte sie sich geschämt. Vor Andreas, vor sich selbst, vor ihren Kindern. Und inmitten dieser Scham hatte ganz vorsichtig, fast unbemerkt, ein Pflänzchen zu keimen begonnen, das da hieß: Zuneigung für ihre Mutter und tiefes Verständnis für ihr Handeln. Andreas hatte ihr gesagt, dass sie sie liebe. Und, sehr eindringlich, hatte er ihr klargemacht, dass das Böse 30 Jahre lang über die Liebe gesiegt hatte. Und dass das Böse auf ewig siegen würde, wenn sie sich weiterhin vor ihrer Mutter verschlösse. »Mach, dass die Liebe siegt, Stefanie«, hatte er sie gebeten und sie in seine Arme gezogen.
    Das war nun viele Wochen her. Sie hatte Zeit gebraucht. Zeit auch, um ihre Kinder an den Gedanken zu gewöhnen, dass sie nun ›noch eine Oma‹ hatten, weil die Mami zwei Mamas hatte. Als sie sich entschloss, ihre Mutter zu besuchen, hatte Andreas mit Charles telefoniert und der war außer sich gewesen vor Begeisterung. Und dann hatten sie einen Plan geschmiedet. Am 8. Juli war Marlenes Geburtstag. Und sie würden die Überraschungsgäste sein. »Alexandra und Ole werden auch da sein und bei uns wohnen«, sagte Charles begeistert. »Ich weihe sie ein, dann können sie etwas früher kommen und bei den Vorbereitungen helfen.«
    »Ich glaube, da vorne ist es«, rief Andreas und riss sie aus ihren Gedanken. »Tatsächlich«, sagte Stefanie. »Sieht aus wie in Alexandras Schilderungen.« Die beiden Paare hatten sich inzwischen angefreundet und verbrachten viel Zeit miteinander. Gegenseitig halfen sie sich, das Erlebte zu verarbeiten. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und schickte die vorbereitete SMS mit den Worten ›Sind da, bitte macht auf‹ an Alexandra ab.
    Sekunden später glitt das schwere Eisentor in der Mauer auf und gab den Blick auf eine riesige, gepflegte Parkanlage frei. »Oh Himmel, ist das hochherrschaftlich«, staunte Stefanie und schob ihre Sonnenbrille in die blonden Locken, die sie, der Hitze wegen, im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Doch dann hatte sie keine Augen mehr für all die Pracht, die sich vor ihr ausbreitete. Sie nahm weder das schlossähnliche Haus noch die gigantische Lage direkt am Wasser wahr. Ihre Hände krampften sich um die Vase mit den bunten Vergissmeinnicht, die sie die ganze Fahrt über auf dem Schoß gehabt hatte. Ihr Herz raste.
    »Alles klar, Liebes?«, fragte Andreas, nachdem er den Wagen geparkt hatte.
    Stefanie nickte. »Ich bin saumäßig nervös«, gestand sie.
    »Das ist normal«, beschwichtigte Andreas und gab ihr einen Kuss.
    »Ich will aussteigen«, quengelte Nina auf dem Rücksitz und Tim rief: »Cooool, die Oma wohnt ja wirklich in einem richtigen Schloss.«
    »Also, raus mit euch«, schmunzelte Andreas, stieg aus und öffnete die hinteren Türen. Auch Stefanie war ausgestiegen, den Strauß mit den Vergissmeinnicht hielt sie in der Hand, die Vase deponierte sie neben dem Autoreifen.
    »Da sind Ole und Alexandra«, rief Andreas und deutete auf das Paar, das eng umschlungen um die Hausecke kam.
    »Hey«, sagte Alexandra und umarmte Stefanie, während die beiden Männer sich schulterklopfend begrüßten. »Hattet ihr eine gute Fahrt?«
    »Ja«, gab Stefanie zurück. »Und ich bin schrecklich nervös.«
    »Dann komm.« Alexandra zog Stefanie mit sich um die Hausecke, von wo aus sich ein gigantischer Blick über das Meer bot.
    Die Kinder und die Männer folgten ihnen.
    Und dann sah Stefanie sie. Sie saß mit ihrem Mann an einer weiß gedeckten Tafel, die mitten auf einer großen, ebenen Wiese stand.
    Nina und Tim sausten los. »Oma, Oma, bist du auch eine Prinzessin?«, rief Nina noch im Rennen und blieb atemlos am Tisch stehen. Marlene sah verständnislos in die gespannten Kinderaugen, die sich auf sie richteten. Dann begann sie zu begreifen, hob langsam den Blick und sah zum Haus hinüber, wo Alexandra und Ole mit Andreas und Stefanie standen.
    »Mein Kind«, flüsterte Marlene und sprang auf. Der Stuhl kippte auf den Boden, aber sie merkte es nicht.
    Auch
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