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Vergissmichnicht

Vergissmichnicht

Titel: Vergissmichnicht
Autoren: Eva-Maria Bast
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»Aber dieser Ralf, der macht mir Sorgen. Bist du sicher, dass du keine Anzeige erstatten möchtest? Ich könnte mindestens ein Näherungsverbot erwirken.«
    Alexandra winkte ab. »Ich habe keine Angst vor Ralf«, versicherte sie. »Hatte ich noch nie. Meine Mail dürfte ihn erst mal ruhiggestellt haben. Und wenn deine Kollegen wirklich diese Dingsbumsansprache machen …«
    »Gefährderansprache«, berichtigte Ole lächelnd.
    »Richtig, diese Gefährderansprache«, fuhr Alexandra fort, »dann weiß er, dass ich es ernst meine, und wird mich erst mal in Ruhe lassen. Ralf ist ein ziemlicher Feigling. Der wird nichts riskieren.«
    Sie hatte ihrem Exfreund am Vorabend eine lange Mail geschrieben, in der sie sich zwar dafür entschuldigt hatte, einfach davongelaufen zu sein und ihn in der Greth sitzen gelassen zu haben, in der sie ihm aber auch deutlich machte, dass sie sein Verhalten mehr als schäbig fand. Sie habe, schrieb Alexandra, wegen seines Übergriffs keine Anzeige erstattet, aber die Polizei kenne den Sachverhalt und wenn ihr etwas geschähe oder wenn er sich ihr noch einmal nähern sollte, dann könne es verdammt unangenehm für ihn werden.
    Ralf hatte keinerlei Schwierigkeiten gemacht. Seine Antwort kam umgehend. »Habe verstanden. Entschuldige mich für mein Verhalten. Werde dich künftig in Ruhe lassen. R.«, hatte er geschrieben und Alexandra hatte ihre und seine Mail, die einem Geständnis gleichkam, ausgedruckt und Ole gegeben. Hier, das wusste sie, waren die Schreiben in Sicherheit.
    Sie blinzelte zu Ole hinauf. »Ich glaube, wir können uns auf einen langen und schönen Sommer freuen. Ich bin überzeugt, dass es jetzt ruhiger wird.«
    »Muss ja«, sagte Ole. »Laut Kriminalstatistik geschehen Morde im schönen Überlingen äußerst selten. Da wäre es ja schon sehr merkwürdig, wenn sich plötzlich, kaum dass ich da bin, ein Mord nach dem anderen ereignen würde.«
    »Da hast du allerdings recht«, schmunzelte Alexandra und sah ihn mit gespielter Besorgnis an. »Ich müsste mir dann ernsthaft überlegen, ob ich mich in deiner Gegenwart noch sicher fühle.«
    Ole grinste breit und gab ihr einen Kuss. Dann wurde er ernst, nahm Alexandras Hand und drückte seine Lippen auf die Innenfläche. »Wie geht es eigentlich deinen Händen?«, fragte er leise.
    Alexandra hob ihre freie Hand und betrachtete sie nachdenklich. »Jetzt, wo du es sagst, fällt mir zum ersten Mal auf, dass ich schon lange nicht mehr das Bedürfnis hatte, mir die Hände ständig zu waschen«, wunderte sie sich. »Ich habe die Sache also gewissermaßen unbeschadet überstanden.«
    Ole war sich da nicht so sicher. Alexandra war in den letzten Tagen einfach zu abgelenkt gewesen. Erst ihre Bewusstlosigkeit, dann ihre Flucht vor Ralf, die Suche nach ihm, das Wiedersehen. Nur im Krankenhaus war sie für eine Nacht zur Ruhe gekommen und Ole freute sich, dass sie auch in jener Zeit nicht wieder dem Händewaschzwang verfallen war. Trotzdem hatte er Angst, dass Alexandra die Ereignisse nicht einmal ansatzweise verarbeitet hatte. Dass sie irgendwann von ihnen aus der Bahn geworfen würde. Doch wenn dieser Zeitpunkt kommen sollte, dann wäre er da, um sie zu stützen. Er lächelte sie an. »Komm«, sagte er. »Lass uns ins Wasser gehen.« Er stand auf und zog sie mit sich hoch. Hand in Hand rannten die beiden in den grün schimmernden See.

Dreiundvierzigstes Kapitel
    Konstanz / Überlingen
    »Ich möchte gern zu ihrem Grab gehen. Und ich möchte ihr Blumen bringen. Vergissmeinnicht. Das waren ihre Lieblingsblumen. Vergissmeinnicht. Und ich habe sie auch nicht vergessen. Nie.« Marlene stiegen schon wieder die Tränen in die Augen, als sie auf der Kante ihres Krankenhausbettes saß. Charles, der im Begriff gewesen war, ihre wenigen Sachen zusammenzupacken, setzte sich neben sie, legte ihr einen Arm um die Schulter und zog sie an sich. »Das ist eine gute Idee, Liebes«, sagte er sanft. »Aber ich glaube nicht, dass du Vergissmeinnicht so einfach im Blumenladen bekommst.«
    »Das macht nichts«, antwortete Marlene, drehte den Kopf und drückte einen Kuss auf Charles’ Hand, die auf ihrer Schulter ruhte. »Der Garten meines Elternhauses ist voll davon. Der Rasen hat immer richtig blau geschimmert, weil es so viele waren. Ich werde ihr einen riesengroßen Strauß pflücken. Blaue Vergissmeinnicht und weiße Rosen. Sie hat ihren Garten immer geliebt.«
    »Du willst wirklich zu deinem Elternhaus gehen?«, fragte Charles zweifelnd. Er machte sich Sorgen
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