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Vergissmichnicht

Vergissmichnicht

Titel: Vergissmichnicht
Autoren: Eva-Maria Bast
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Ha saget Se des doch glei!« Unverbindlich und etwas kühl lächelnd, hatte Ole seine Semmel bezahlt und war aus der Bäckerei geflüchtet. Immerhin, es war ein kleiner Sieg. Er hatte sein Rundstück bekommen.
    Das Schlimmste aber war seine Kollegin Monja Grundel, mit der er ein Duo bilden sollte und zu allem Überfluss auch noch ein Büro zu teilen hatte. Monja Grundel war dick, klein und trug einen braunen Bürstenhaarschnitt. Zur Begrüßung hatte sie weder gelächelt noch ihm die Hand gegeben, sondern mit dem Kinn auf die andere Seite des Zimmers gewiesen, wo sich ein zweiter Schreibtisch befand. »Dort hinten ist Ihr Platz«, hatte sie knapp gesagt. »Dann zeigen Sie mal, was Sie können. Lesen Sie sich schon einmal ein bisschen in die laufenden Fälle ein.« Sie hatte ihm einen Stapel Akten auf den Tisch geknallt und das Büro verlassen. Ole hatte sich darüber geärgert, wie sich diese Frau, die ihm absolut gleichgestellt war, als Chefin aufgespielt hatte. Na ja, wahrscheinlich hielt sie ihn für einen Macho und wollte sofort klarstellen, wer hier im Büro die Hosen anhatte. Oder sie nahm ihn nicht für voll, schließlich war er mindestens 25 Jahre jünger als sie.
    Wie auch immer, dachte Ole seufzend und biss in seine inzwischen erkaltete Pizza. Er hatte es so gewollt. Nun musste er das Büro, das sich immerhin in einem schönen Jugendstilgebäude befand, also mit einem Drachen teilen. Und er musste sich hier irgendwie zurechtfinden. Es brachte nichts, wenn er sich in seiner Wohnung vergrub und in Selbstmitleid badete. Dann hätte er auch in Hamburg bleiben können. Er würde sich jetzt zusammenreißen und diesen blöden Schrank aufbauen. Und dann würde er endlich anfangen, die Umzugskisten auszuräumen.
    Ole nahm einen großen Schluck Bier aus der Flasche und wollte sich gerade das letzte Stück Pizza in den Mund schieben, als sein Handy klingelte. Er ließ die Pizza in ihren Karton zurückfallen und kramte in seiner Jeans nach seinem klingelnden, vibrierenden iPhone. ›Wache‹ stand auf dem Display. Na prima, dachte Ole. Das fängt ja gut an. Aber dann muss ich heute wenigstens den blöden Schrank nicht aufbauen.
    »Strobehn?«, meldete er sich und sprang auf, als er hörte, was die Kollegin von der Wache sagte. »Weibliche Leiche am Bodenseeufer unterhalb der Fünf Mühlen.«
    »Ich bin sofort da«, rief Ole. »Kann mich die Streife abholen? Dann geht es schneller.«
    »Natürlich, Herr Strobehn. Ich schicke Ihnen jemanden.«
    »Danke.« Ole legte auf und zog sich seine Schuhe an. Dann stürmte er durch das Treppenhaus nach unten.

Fünftes Kapitel
    St. Tropez, Frankreich
    Marlene Didier langweilte sich. Sie langweilte sich mit ihrem Mann, sie langweilte sich mit ihrem Leben, sie langweilte sich mit dem Luxus, der sie umgab. Lange schon reichten prallvolle Kleiderschränke und überquellende Schmuckkassetten nicht mehr aus, um die innere Leere zu füllen, und die Einkaufstouren durch die Designerläden von St. Tropez führten ihr nur immer wieder vor Augen, dass das, was sie wirklich vermisste, mit Geld nicht zu kaufen war. Doch es war das Einzige, was sie tun konnte, um nicht zu erstarren. Sie verwandte größte Sorgfalt darauf, ihre äußere Hülle zu pflegen und sie stets makellos zu halten. Und sie hoffte, dass die dicken Make-up-Schichten die Leere ihres Gesichtes zu verbergen vermochten und dass Lidschatten, Wimperntusche und Kajal über die Trübheit ihrer Augen hinwegtäuschen konnten. Seufzend verstaute sie Geldbörse, Schminkbeutel und Sonnenbrille in ihrer riesigen Louis-Vuitton-Tasche und warf einen prüfenden Blick in den großen Spiegel mit dem schweren Goldrahmen, der ihren marmornen Schminktisch zierte. Sie war dick geworden, fand sie. Ihre einst so hohen Wangenknochen waren unter dem Wohlstandsspeck verschwunden und von ihrer Wespentaille sah man rein gar nichts mehr. »Fette Kuh«, flüsterte Marlene ihrem Spiegelbild traurig zu.
    Dann pappte sie ein Lächeln auf ihr perfekt geschminktes Gesicht, nahm ihre Tasche und stieg über die weiße, geschwungene Treppe nach unten in die Empfangshalle. Dort war es angenehm kühl, nichts ließ die Hitze erahnen, die sich draußen bleiern über das Land legte und Mensch und Tier gleichermaßen träge und schwer werden ließ.
    Jeannette, das Dienstmädchen, kam auf leisen Sohlen über die marmornen Schachbrettfliesen auf sie zugeeilt. »Madame wollen ausgehen«, stellte sie schüchtern und mit piepsiger Stimme fest und krampfte die Hände über dem
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