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Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt
Autoren: Michael Crichton
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ohne DNS existieren kann …«
    Levine stand
noch einen Augenblick da und starrte nach vorne. Dann setzte er sich widerstrebend
und begann, sich Notizen zu machen.
     
     
     

Die Hypothese von der
Vergessenen Welt
     
     
    Die Vorlesung war beendet, und Malcolm
humpelte kurz nach Mittag über den offenen Innenhof des Instituts. Neben ihm
ging Sarah Harding, eine junge Freilandbiologin zu Besuch aus Afrika.
    Malcolm kannte
sie schon seit einigen Jahren, da man ihn gebeten hatte, bei ihrer Doktorarbeit
als Korreferent zu fungieren.
    Die beiden gaben
ein ungleiches Paar ab, wie sie da in der heißen Sommersonne über den Hof gingen:
Malcolm ganz in Schwarz, auf seinen Stock gestützt, gebeugt und asketisch;
Harding kompakt und muskulös, voller jugendlicher Vitalität in Shorts und
T-Shirt, die kurzgeschnittenen schwarzen Haare mit einer Sonnenbrille aus der
Stirn geschoben. Hardings Arbeitsgebiet waren afrikanische Raubtiere, Löwen und
Hyänen. Sie hatte vor, schon am nächsten Tag nach Nairobi zurückzukehren.
    Die beiden
standen sich seit Malcolms Krankenhausaufenthalt sehr nahe. Harding hatte
damals ein Freijahr in Austin verbracht und in dieser Zeit ihr Teil dazu beigetragen,
daß Malcolm nach seinen vielen Operationen wieder gesund wurde. Eine Weile
hatte es ausgesehen, als würde sich zwischen ihnen eine Romanze entwickeln und
Malcolm, bislang ein überzeugter Junggeselle, könnte sich doch noch zu einer
Ehe entschließen. Doch dann war Harding nach Afrika zurückgekehrt und Malcolm
nach Santa Fe gegangen. Wie ihre frühere Beziehung auch ausgesehen haben mochte,
jetzt waren sie nur noch gute Freunde.
    Sie sprachen
über die Fragen, die am Ende seiner Vorlesung gestellt worden waren. Malcolms
Ansicht nach waren nur die zu erwartenden Einwände erhoben worden: daß
massenhaftes Aussterben doch wichtig sei, daß die Menschen ihre Existenz dem
kreidezeitlichen Dinosauriersterben verdankten, da erst dies es den Säugetieren
gestattete, die Herrschaft über die Welt zu übernehmen. Wie einer der Fragesteller
es etwas schwülstig formuliert hatte: »Der Kreidezeit haben wir es zu
verdanken, daß unser fühlendes Bewußtsein sich auf diesem Planeten entwickeln
konnte.«
    Wie aus der
Pistole geschossen, hatte Malcolm erwidert: »Wie kommen Sie darauf, daß menschliche
Wesen Gefühle und Bewußtsein haben? Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Menschliche Wesen denken nicht eigenständig, sie finden das viel zu
anstrengend. Die Angehörigen unserer Spezies wiederholen meistens nur, was man
ihnen sagt – und regen sich auf, wenn man sie mit divergierenden Ansichten konfrontiert.
Nicht Bewußtsein, sondern Konformität ist das charakteristische Merkmal der
menschlichen Rasse, und das charakteristische Resultat ist der Religionskrieg.
Andere Lebewesen kämpfen um ihr Revier oder um Nahrung, aber, und das ist
einzigartig im Tierreich, die Menschen kämpfen für ihre ›Überzeugungen‹. Der
Grund dafür ist, daß Überzeugungen Verhalten steuern, und dies hat für die Menschen
evolutionäre Bedeutung. Aber in einer Zeit, da unser Verhalten durchaus zu
unserer Ausrottung führen kann, sehe ich keinen Grund für die Annahme, daß wir
überhaupt ein Bewußtsein besitzen. Wir sind sture, selbstzerstörerische
Konformisten. Jede andere Betrachtungsweise unserer Spezies ist nichts als eine
Selbsttäuschung. Nächste Frage.«
    Jetzt auf dem
Hof lachte Sarah Harding. »Das hat ihnen nicht gefallen.«
    »Ich gebe ja zu,
daß es entmutigend ist«, sagte Malcolm. »Aber so ist es eben.« Er schüttelte
den Kopf. »Diese Leute gehören zu den besten Wissenschaftlern des Landes, und
dennoch … keine interessanten Ideen. Übrigens, kennst du den Typen, der mich
unterbrochen hat?«
    »Richard
Levine?« Sie lachte. »Ziemlich irritierend, der Kerl, was? Der ist weltweit als
Nervtöter berüchtigt.«
    »Zu Recht«,
grummelte Malcolm.
    »Er ist reich,
das ist das Problem«, sagte Harding. »Hast du schon mal was von den Becky-Puppen
gehört?«
    »Nein«, sagte
Malcolm mit einem Seitenblick.
    »Also, jedes
kleine Mädchen in Amerika kennt sie. Es gibt eine ganze Serie: Becky und Sally
und Frances und noch ein paar andere. Typisch amerikanische Puppen. Levine ist
der Erbe der Firma. Das heißt, er ist ein neunmalkluges reiches Kind. Impulsiv,
macht, was er will.«
    Malcolm nickte.
»Hast du Zeit zum Mittagessen?«
    »Klar. Es würde
mich –«
    »Dr. Malcolm!
Warten Sie! Bitte. Dr. Malcolm!«
    Malcolm drehte
sich um. Über den Hof kam
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