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Vergebliche Suche nach Gaby

Vergebliche Suche nach Gaby

Titel: Vergebliche Suche nach Gaby
Autoren: Stefan Wolf
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ältliche, sehr hübsche Laterne. Licht auch
über einem, dieser Seite zugewandten Fenster.
    Tim kletterte über den hohen
Zaun, blieb aber mit der rechten Hosentasche an einer Speerspitze — so endeten
die eisernen Verstrebungen — hängen und die Tasche riss ein. Er zerbiss Flüche
im Wolfsgebiss und musste den Tascheninhalt — Schlüsselbund, Kaugummis und zwei
noch leidlich saubere Papiertücher — umladen in die anderen Taschen.
    Eine Hecke verdeckte den
Garagenvorplatz zur Straße hin, konnte aber auf rondell-artigen Asphaltspuren
auf beide Seiten umfahren werden.
    Auf der Straße war ein
brummender Motor zu hören. In diesem Moment hielt der Wagen vor der Einfahrt.
    Tim rannte zur Garage und
verbarg sich hinter der Ecke.
    Jemand stieg aus. Schritte zur
Sprechanlage. Der Mann — es waren offensichtlich Männerschritte — klingelte.
Dann ein Laut in der Sprechanlage, vermutlich Siegfrieds, Wer da?“
    Der Mann sprach mit romanischem
Tonfall. „Ich bin’s, Sigi. Claude Bristol. Bin ich nicht pünktlich?“
    Wieder ein Knirschlaut in den
Metallrippen. Schritte zum Wagen zurück, der noch mit laufendem Motor brummte.
Bristol schloss den Schlag. Das schwere Eisentor summte, schepperte, öffnete
sich — von Fernbedienung gesteuert. Der Wagen rollte heran. Hinter ihm summten
die Torflügel wieder zu.
    Tim stand hinter der haus-abgewandten
Garagenecke und rechnete mit Festbeleuchtung. Und richtig! An Garage und
Hausfront flammten vier oder fünf Lampen auf.
    Der Wagen fuhr auf der rechten
Seite um die abschirmende Hecke herum.
    Für Sekunden war Tim völlig
perplex. Unglaublich!
    Das Fahrzeug hatte ein
belgisches Nummernschild und war ein schwarzer, lang gestreckter —
Leichenwagen.
    Himmel!, dachte der
TKKG-Häuptling. Die Kiste ist ja riesig wie ‘n Sammeltransporten Ein
Leichenwagen? Ist wer gestorben?
    Der große Laderaum besaß keine
Fenster. Auf der Seitenfront waren goldfarbene Symbole angebracht auf schwarzem
Grund: Palmwedel oder stilisierter Lorbeer. Dezente Beschriftung. Aber Tim war
des Belgischen nicht kundig. Außerdem interessierte er sich mehr für den
Fahrer.
    Der Wagen hielt vor der Garage,
stand parallel dazu und füllte die Längsfront. Der Fahrer stieg aus.
    Er mochte 40 sein, war groß und
hager. Schwarzes Haar, straff zurückgekämmt, ein bleiches Gesicht, schwarzer
Anzug mit Weste. Über der vorspringenden Geiernase standen die Augen eng. Die
bürsten-dicken Brauen waren so schwarz wie der Anzug.
    Sigi Otterfeint kam aus dem
Haus.
    Tim sah ihn zum ersten Mal und
stellte eine gewisse Ähnlichkeit fest — zwischen den Brüdern. Sigi trug einen Ohrring
und hatte die Hemdsärmel hoch gerollt. Muskulöse Unterarme. Er breitete sie aus
und umarmte Bristol wie den Liebsten aller Freunde.
    „Gut, dass du kommst, Claude.
Ich muss sie rasch loswerden. Hier braut sich was zusammen. O Mann, das ist ja
ein heißer Schlitten.“

    Bristol grinste, wobei sein
dünnlippiger Mund eine waagerechte Linie bildete.
    „Damit falle ich natürlich auf.
Aber — wie gesagt: Niemand kontrolliert mich. Wer sieht sich schon gern zwei
Leichen an?! Dass die noch leben und knackfrisch sind, wissen nur wir, hahah!“
    „Du wirst drei transportieren.“
    „Was? Hast du noch ‘ne Puppe?“
    „Einen Jungen. Er muss weg.
Egal, was mit ihm wird. Nimm ihn mit. Ich glaube, er ist noch bewusstlos.
Eigentlich wollte ich ihn ausquetschen. Aber eine Verzögerung ist nicht mehr
drin. Die Zeit drängt.“
    „Einen Jungen? Was soll ich mit
dem? Dafür habe ich keinen Markt. Ich kann nur hübsche Mädchen verscherbeln.“
    „Claude! Es muss eine
Möglichkeit geben. Aber komm erst mal rein.“
    Die beiden hatten sehr leise
gesprochen, waren aber nur wenige Schritte von Tim entfernt. Sie gingen ins
Haus.
    Der TKKG-Häuptling schnappte
nach Luft. Wahnsinn! Hier liefen ja tatsächlich alle Fäden zusammen. Eindeutig redete
dieser Sigi von Gaby. Und von Karl! Der ,Junge’ musste Karl sein! Wer sonst?!
    Lebende Leichen, knackfrisch,
im Leichenwagen, dachte Tim. Also Tarnung. Damit keine Polizeistreife im
Hinterland der ehemaligen Landesgrenzen kontrolliert. Ein verdammt guter Trick.
Aber was heißt hier ,verscherbeln’? Das hört sich nach Mädchenhandel an.
    Tim lief zu dem Wagen.
    Wie vermutet, der Zündschlüssel
steckte.
    Als Tim den Wagen öffnete und
sich hinein beugte, nahm er den Duft von welken Blumen wahr, von Aussegnungshalle
und Vergänglichkeit. Infam! Dieser hinterlistige Kerl hatte an alles gedacht.
    Hinter
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