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Verfuhrt auf dem Maskenball

Verfuhrt auf dem Maskenball

Titel: Verfuhrt auf dem Maskenball
Autoren: Joyce Brenda
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zu streiten, wer an der Reihe war, oder einen kostbaren Schilling für eine Mietdroschke auszugeben, ging Lizzie lieber zu Fuß.
    Jetzt klarte der Himmel auf, und Lizzie war überzeugt, dass das Wetter morgen wunderschön sein würde –genau richtig für den Maskenball. Gerade wollte sie zum Überqueren der Straße einen Fuß in den Morast setzen, als sie fühlte, wie jemand am Saum ihres Kleides zupfte.
    Schon ehe sie nach unten sah und die durchnässte und frierende alte Frau erblickte, wusste sie, dass es sich nur um einen Bettler handeln konnte.
    „Miss? Einen Penny?“, flehte die Frau.
    Lizzie brach es beinah das Herz. „Hier.“ Sie leerte ihre Börse aus und gab der Frau sämtliche Münzen, ohne sich darum zu kümmern, was Mama deswegen für ein Theater machen würde. „Gott segne Sie“, flüsterte Lizzie.
    Die Frau machte große Augen. „Gott segne Sie, Mylady!“, rief sie und presste die Münzen an ihre Brust. „Gott wird Sie segnen, denn Sie sind ein Engel der Barmherzigkeit!“
    Lizzie lächelte sie an. „Die guten Schwestern von St. Mary’s werden Ihnen ein Bett und etwas zu essen geben, wenn Sie zu ihnen gehen“, sagte sie.
    „Ja“, nickte die Frau. „Danke, Mylady, danke.“
    In der Hoffnung, dass die Frau das auch wirklich tun würde und nicht die nächste Kneipe aufsuchte, um ein Pint zu trinken, trat Lizzie auf die Straße. In genau demselben Augenblick bog eine Pferdekutsche um die Ecke. Lizzie hörte sie kommen und hob rasch den Kopf.
    Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit zogen zwei schwarze Pferde ein sehr luxuriöses Gefährt. In dem offenen Wagen saßen drei Gentlemen, zwei weitere standen auf dem Kutschbock und trieben die Pferde an. Sie alle lachten, riefen durcheinander und schwenkten Weinflaschen. Die Kutsche raste direkt in Lizzies Richtung. Sie stand wie erstarrt da und sah staunend zu.
    „Passt auf!“, rief jemand.
    Aber der Fahrer jauchzte, als hätte er nichts gehört und nichts gesehen, und peitschte die Pferde weiter. Sie galoppierten nur noch schneller.
    Endlich begriff Lizzie, was geschah. Entsetzt trat sie zurück in Richtung Gehsteig.
    „Ausweichen!“, rief plötzlich einer der Gentleman. „Ormond, du musst ausweichen!“
    Doch die Kutsche raste weiter auf sie zu. Fassungslos vor Angst sah Lizzie das Weiße in den Augen der Pferde und ihre geblähten, rosigen Nüstern. Sie machte kehrt, um davonzulaufen – doch stattdessen stolperte sie.
    Mitten auf der schlammigen Straße stürzte sie auf Hände und Knie.
    Räder quietschten, ein durchdringendes, schrilles Geräusch, Hufe trommelten. Auf ihren Rücken prasselten Schlamm und Steine. Während Lizzie auf dem Bauch lag, hob sie den Kopf und sah die eisenbeschlagenen Hufe und Räder, beides bedrohlich nah. Angst durchzuckte sie, und selbst als sie sich verzweifelt bemühte, von der Kutsche wegzukriechen, war sie fest davon überzeugt, dass sie sterben würde. Plötzlich wurde sie von starken Händen gepackt.
    In demselben Augenblick, als die Kutsche vorbeiraste, riss jemand sie zurück auf den Gehsteig und in Sicherheit.
    Lizzie vermochte sich nicht zu rühren. Ihr Herz schlug so hart und schnell, dass es ihr fast unmöglich war zu atmen. Vor Entsetzen wie betäubt, schloss sie einen Moment lang die Augen.
    Sie wurde von kräftigen Armen sicher gehalten. Lizzie blinzelte. Jetzt lag sie auf dem Gehsteig, deutlich fühlte sie den harten Stein an ihrer Wange, auf Augenhöhe mit den Knien eines Mannes, der neben ihr kauerte. Endlich begriff sie. Soeben bin ich dem sicheren Tod entronnen! Und dieser Fremde hat mich gerettet!
    „Bewegen Sie sich nicht.“
    Lizzie hörte den Mann kaum, der ihr das Leben gerettet hatte. Noch immer fiel ihr das Atmen schwer, und ihr Herz schlug nach wie vor viel zu schnell. Außerdem hatte sie Schmerzen, ihre Arme fühlten sich an, als hätte man sie aus den Gelenken gerissen. Ansonsten aber, so stellte sie fest, schien sie unversehrt zu sein. Dann legte jemand seinen Arm um ihre Schultern. „Miss? Können Sie sprechen?“
    Lizzies Verstand begann wieder zu arbeiten. Aber das war gewiss unmöglich! Die Stimme dieses Gentleman kam ihr sehr bekannt vor, eine tiefe und kräftige Stimme, die gleichzeitig sanft und beruhigend klang. Auf jeder Gartenparty an St. Patrick’s Day hatte sie Tyrell de Warenne belauscht, und natürlich hatte sie ihn auch in der Stadt bei verschiedenen politischen Anlässen sprechen hören. Nie würde sie seine Stimme vergessen.
    Zitternd und vollkommen ungläubig
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