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Verfuhrt auf dem Maskenball

Verfuhrt auf dem Maskenball

Titel: Verfuhrt auf dem Maskenball
Autoren: Joyce Brenda
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gedacht, so nahe ans Wasser zu gehen?“
    Lizzie lächelte. Allerdings galt das Lächeln nicht ihrem Papa, sondern ihrem Prinzen. „Es geht mir gut, Papa.“
    Das Lächeln des Prinzen verschwand.
    „Wie können wir Ihnen nur danken, Lord Tyrell?“, schluchzte Mama. Indem sie seine Hände ergriff, zog sie seine Aufmerksamkeit auf sich.
    „Da gibt es nichts zu danken, Mrs. Fitzgerald. Sie ist gerettet, nur das allein zählt“, erwiderte er.
    Da begriff Lizzie, wer er war: Der älteste Sohn des Earl of Adare, Tyrell de Warenne, der Erbe. Die Arme um ihre Knie geschlungen, betrachtete sie ihn noch immer voll Staunen. Aber hatte sie nicht gewusst, dass er ein Prinz war – oder zumindest so etwas Ähnliches? Denn im Süden Irlands galt der Earl of Adare so viel wie ein König.
    Inzwischen hatten sich Tyrells Brüder und Stiefbrüder neugierig und besorgt um sie geschart. Tyrell drehte sich um, und sofort wichen alle vor ihm zurück. Am liebsten hätte Lizzie ihn wieder zu sich gerufen, wagte es aber natürlich nicht – bis sie begriff, was er vorhatte. Fasziniert sah sie zu, wie er ins Wasser watete und ihr Buch holte. Gleich darauf brachte er es ihr und lächelte sie an. „Du wirst ein neues Exemplar brauchen, Kleines.“
    Zu schüchtern, um sich bei ihm zu bedanken, biss Lizzie sich auf die Lippen.
    „Lord Tyrell, wir stehen in Ihrer Schuld“, erklärte Papa mit ernster Miene.
    Tyrell winkte ab. Suchend wandte er sich um, und Lizzie sah, wie er Willie O’Day musterte.
    Willie machte kehrt und wollte davonlaufen.
    Mit einem Satz war Tyrell bei ihm und packte ihn am Ohr. Ohne auf Willies Schmerzensschreie zu achten, zerrte er ihn zu Lizzie zurück. „Knie nieder, und entschuldige dich bei der kleinen Lady“, verlangte er. „Oder ich werde dir die Seele aus dem Leib prügeln.“
    Und zum ersten Mal in seinem Leben tat Willie, was man ihm befahl, und bat Lizzie unter Tränen um Verzeihung.

Teil 1
    Oktober 1812 –Juli 1813

1. Kapitel
    Eine schicksalhafte Begegnung
    Elizabeth Anne Fitzgerald starrte auf den Roman in ihren Händen, aber die Worte ergaben keinen Sinn. Genau genommen erschienen ihr die Buchstaben so verschwommen, als würde sie ihre Lesebrille gar nicht tragen. Vielleicht war das ganz gut so. Mama hasste es, wenn sie bei Tisch las, und sie hatte sich mit ihrem Liebesroman schon vor einiger Zeit hier hingesetzt, um das Frühstück einzunehmen, das jetzt vergessen vor ihr stand. Seufzend schlug Lizzie das Buch zu. Sie kam zu dem Schluss, dass sie wegen des morgigen Tages zu aufgeregt war, um sich auf irgendetwas zu konzentrieren.
    Aufgeregt und ängstlich.
    Am Kopf der Tafel saß Papa mit dem gestrigen Exemplar der Dublin Times . Die Zeitung raschelte, als er nach seiner Teetasse griff, vollkommen vertieft in einen Artikel über den Krieg. Ein Stockwerk höher befand sich der Haushalt in Aufruhr. Lizzie hörte, wie ihre Mutter und die beiden älteren Schwestern in den Schlafzimmern hin und her eilten, hin und her, hin und her, mit hektisch klappernden Absätzen. Und sie hörte auch Annas Klagen und Georgies kurze, vernünftige Einwände. Mama rief Kommandos wie ein Soldat. Papa schien nichts davon zu bemerken, aber ein derartiges Chaos war im Hause der Fitzgeralds nichts Ungewöhnliches.
    In der Hoffnung, einen Blick von ihm zu erhaschen, sah Lizzie ihn an. Gern hätte sie geredet, aber sie war nicht sicher, ob sie sich jemandem anvertrauen sollte.
    „Du starrst mich an“, sagte er, ohne aufzusehen. „Was ist los, Lizzie?“
    Sie zögerte. „Ist es normal, so nervös zu sein?“
    Über den Rand seiner Zeitung hinweg blickte Papa zu ihr hin und lächelte liebevoll. „Es ist nur ein Ball“, sagte er. „Es mag dein erster sein, aber ganz gewiss nicht dein letzter.“ Er war klein von Wuchs, frühzeitig ergraut, trug einen grauen Backenbart und stets eine freundliche Miene zur Schau. Genau wie Lizzie benötigte er eine randlose Brille, allerdings nicht nur beim Lesen. Das Einzige, was Lizzie je daran bedauert hatte, war, so schlechte Augen von einem so wundervollen Vater geerbt zu haben.
    Sie fühlte, wie sie errötete, und versuchte, dem gütigen Blick ihres Vaters auszuweichen, damit er nicht erriet, wie aufgeregt sie war. Schließlich war sie inzwischen sechzehn Jahre alt, eine erwachsene Frau oder doch jedenfalls beinah. Niemand in ihrer Familie sollte wissen, dass sie noch überaus kindliche Fantasien hegte – die, genau betrachtet, in den stillen Stunden der Nacht gar nicht mehr so
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