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Verfuehrung in bester Gesellschaft

Verfuehrung in bester Gesellschaft

Titel: Verfuehrung in bester Gesellschaft
Autoren: Kat Martin
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sich.
    Es war Zeit für ihn, seine Braut zu holen.
    Das dumpfe Gefühl in der Magengrube ignorierte er.
    Violet ging von Bord des Klippers Courageous. Sie war froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Endlich war sie in London. Sie hielt ihr Retikül, das sie an ihrem Handgelenk trug, fest und sah sich um. Die Docks summten vor geschäftigen Menschen. Schauermänner entluden die Fracht, Passagiere stiegen aus den endlosen Reihen von Schiffen, die an den Kais lagen. Zwielichtige Händler boten ihre Waren den neu ankommenden, ahnungslosen Opfern an.
    Hoch über ihnen kreischten Möwen. Ihre Schreie vermischten sich mit dem Klappern und Schlagen der Takelage.
    „Ist das nicht aufregend?“, fragte ihre Cousine Caroline, die mit Mrs Cummins neben Violet ging, einer Dame von tadellosem Ruf, die sie als ihre Reisebegleiterin engagiert hatten.
    „Es ist ein wenig anders, als ich es mir vorgestellt hatte“, sagte Violet und blickte hoch zu den Dächern der Stadt und den hohen Kirchtürmen. „Alles sieht älter aus, als ich erwartet habe, aber dadurch wirkt es nur charmanter.“
    Allerdings war die Hafengegend zweifellos nicht die beste. Die Gebäude waren baufällig und abgesehen von den Schiffreisenden waren die meisten Menschen hier eher ärmlich gekleidet.
    „Ich miete uns eine Droschke“, bot Mrs Cummins an. Sie war eine kräftig gebaute Frau mit eisgrauem Haar und sollte sich von den jungen Frauen trennen, sobald sie das Haus von Violets Ehemann erreicht hatten.
    Ihr Ehemann. Das Wort hinterließ einen bitteren Nachgeschmack auf Violets Zunge. Sie hatte Rule Dewar seit ihrem Hochzeitstag vor drei Jahren nicht mehr gesehen.
    Oh ja, gelegentlich hatte er ihr geschrieben, aber ganz offensichtlich hatte er nicht die Absicht, seine ehelichen Pflichten zu übernehmen.
    Und darüber war Violet sehr froh.
    Sie war so jung gewesen, als sie ihn traf. Jung und beeindruckt von seinem außergewöhnlich guten Aussehen. Und sie hatte um den Vater getrauert, den sie so bald verlieren würde. Griff wollte, dass sie heiratete, und Violet hätte alles getan, was er sich wünschte. Und so hatte sie einen Mann geheiratet, den sie nicht kannte.
    „Also, meine Damen, da sind wir.“ Mrs Cummins führte sie zu einer zerschundenen Kutsche, die von zwei erschöpft aussehenden Pferden gezogen wurde. Der Kutscher tippte sich an den Hut und sprang herunter, um ihre Schiffskoffer einzuladen.
    Mrs Cummins, die ihre Pflichten sehr ernst nahm, beobachtete alles aufmerksam. Sie hatte die Stellung als Reisebegleiterin von Tante Harriet übernommen, die schon bei dem Gedanken an eine Fahrt über den Atlantik grün wurde.
    Violet war zufrieden mit diesem Ersatz. Seit dem Tod ihres Vaters hatte sie sehr zurückgezogen gelebt. Getrieben von dem verzweifelten Wunsch, ihre Tage mit etwas anderem zu füllen als mit Kummer und Trauer, hatte sie begonnen, sich für die Munitionsfabrik ihres Vaters in Boston zu interessieren.
    Je älter sie wurde, desto mehr Zeit hatte sie dort verbracht und alles Wissenswerte über die Herstellung von Musketen und Pistolen in sich aufgesogen. Sie hatte anfangs die Stunden mit ihrem Vater dort genossen und die Rolle eines Sohnes übernommen. Nach seinem Tod hatte sie diese Rolle beibehalten.
    „Kommen Sie, meine Damen!“, rief Mrs Cummins ihnen zu. „Lassen Sie uns einsteigen. Hier ist kein guter Ort zum Trödeln.“
    Der Kutscher hielt ihnen die Tür auf und wartete, bis sie alle eingestiegen waren. Violet ließ sich auf einem Sitz nieder, zog ihr gesetztes marineblaues Reisekleid zurecht und schloss die Bänder der passenden blauen Haube unter dem Kinn. Ihre Gedanken kreisten noch immer um ihren Vater.
    Am Anfang war er besorgt gewesen, dass sich ihr Interesse an geschäftlichen Dingen für eine junge Dame nicht schicken könnte, aber bald beobachtete er mit Stolz, dass sie wesentlich mehr Interesse für die Geschicke des Unternehmens aufbrachte als an der Rolle einer reichen, verwöhnten jungen Dame.
    Dann war sechs Monate nach Griffins Tod Mr Haskell, der Leiter des Bostoner Zweigs der Firma, plötzlich schwer erkrankt und gezwungen gewesen, sich zur Ruhe zu setzen. Tante Harriet hatte beinahe der Schlag getroffen, als sie erfuhr, dass Violet plante, Mr Haskells Pflichten zu übernehmen. Erst als Violet ihr versicherte, ihre wahre Rolle geheim zu halten, hatte sich Tante Harriet ihrem starken Willen gebeugt.
    Mrs Cummins’ besorgte Stimme erregte Violets Aufmerksamkeit. „Himmel, wo ist nur die
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