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Verfuehrung

Verfuehrung

Titel: Verfuehrung
Autoren: Tanja Kinkel
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Ergebnis von Reisenden ist, die nichts Besseres zu tun haben, als das Gerümpel in die Stadt zu bringen, das andere Leute längst losgeworden sind.«
    Die Contessa erblasste. Man sah ihr an, sie hätte Calori am liebsten die Frisur und das Gesicht mit den eigenen Händen zerfetzt. Giacomo holte nur scharf Luft. Eine Woge von Zweifel und Bedauern erhob sich nachträglich in Calori, die sie sofort niederschlug. Wenn ihn ihre Worte verletzt und gedemütigt hatten, dann war es nicht mehr, als er verdient hatte, dafür, sich auf die Seite der Contessa geschlagen zu haben. Sie sagte sich, dass ihre Empörung daher rührte, dass sie die Contessa inzwischen als durch und durch bösartig kannte, und keineswegs von Eifersucht. Mit Eifersucht hatte das Gesagte nicht das Geringste zu tun!
    Ihre Handflächen fühlten sich feucht an, und Calori glaubte fast, dass sich ihre Nägel hart und tief genug in die Hand gebohrt hatten, um die Haut zu ritzen und zum Bluten zu bringen.
    »Donna Giulia«, sagte der Herzog langsam, »darf ich Ihnen Angiola Calori vorstellen? Die neueste Sängerin unseres Ensembles am Teatro San Carlo. Da ich weiß, wie Sie die Oper lieben, freut es mich, Ihnen anzukündigen, dass La Calori heute Abend noch für uns singen wird.«
    »Oh, müssen Sie sparen?«, fragte die Contessa. »Wenn Sie weitere Gönner für das Teatro San Carlo brauchen, damit es sich wieder gute Sänger leisten kann, dann brauchen Sie es mir doch nur zu sagen.«
    Eine kleine Pause trat ein, während derer man das Geschwätz um sie herum nur zu deutlich hörte. Zum Glück hörten ihnen nicht sehr viele Menschen zu, denn gerade war Caffarelli eingetreten, unübersehbar in einem ganz aus Silberfäden und Perlen bestehenden Überrock. Als zu erkennen war, dass der Herzog nicht vorhatte, der Contessa etwas zu erwidern, sagte Calori: »Ich weiß, dass Sie nicht schätzen, was Sie nicht haben können, Contessa, aber wenn Sie Maestro Caffarelli wirklich zu den nicht so guten Sängern zählen, dann sollten Sie ihm das selbst mitteilen. Hier kommt er.«
    Ob es nun der Vergleich ihrer Person mit dem Fuchs und den zu hoch hängenden Trauben oder der Hinweis auf Caffarelli war, die Contessa entgegnete heftig: »Ja, es ist unübersehbar, dass die Luft hier verpestet ist. Wie bedauerlich für Sie, liebster Rocco.«
    Im selben Moment hatte Caffarelli sich von seinen Bewunderern freigemacht, um seinen Gastgeber zu begrüßen. Wie es sich gehörte, stellte der Herzog ihn zunächst der höchstrangigen Dame vor. So wie er den Namen der Contessa hörte, rümpfte Caffarelli die Nase. Statt sich über die Hand der Contessa zu beugen, sagte er in seiner Sopranstimme, die ganze Opernhäuser füllen konnte und nun den Raum mit allen Gästen beherrschte: »Sie sind also dieses aufdringliche Luder? Bei Gott, ich hatte gehofft, Sie wären wenigstens etwas jünger.«
    Diesmal trat nicht nur in ihrer unmittelbaren Umgebung Stille ein. Die gesamte Gesellschaft starrte teils entgeistert, teils entzückt ihr für seine temperamentvolle Grobheit berüchtigtes Idol an. Die Contessa war kalkweiß im Gesicht geworden.
    »Maestro, wollen Sie wieder ein paar Tage Hausarrest riskieren, wie damals, als Sie sich während der Messe prügelten?«, fragte der Herzog milde.
    Caffarelli, der in zehn Jahren wahrscheinlich dick sein würde, doch derzeit noch nichts anderes als groß und stattlich war, zuckte die Schultern. »Weswegen? Diese Frau ist ein aufdringliches Luder. Ich bin es ja gewohnt, dass man mir hinterherläuft, aber …«
    Calori begriff, dass Caffarelli dabei war, alles zu verraten. Giacomo schaute bereits von ihr zu ihm und zurück, und wenn er nicht gerade Phantasieuniformen bestellte, Geld zum Fenster hinauswarf und mit Damen von Adel schlief, war er ein kluger Mann, der sich die Wahrheit sehr wohl zusammenreimen konnte, zumal er Petronio bei ihr erkannt haben musste.
    »Maestro«, unterbrach Calori also seinen Redeschwall, denn sie hielt noch die Noten des Herzogs in der Hand, »Seine Exzellenz hat eigens für Sie ein neues Lied komponiert und mir die Ehre erwiesen, vorzuschlagen, ich möge Sie begleiten. Zweifellos wären Sie in der Lage, vom Blatt zu singen, aber als jemand, der noch nicht so erfahren ist, würde ich es begrüßen, vorher noch ein wenig zu üben. Dürfte ich vorschlagen, dass wir es gemeinsam studieren?«
    Caffarelli fuhr herum und fixierte sie. »Grundgütiger«, sagte er. »Noch eine, die es nicht abwarten kann. Und wer sind Sie?«
    »Die
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