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Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition)
Autoren: Teresa Medeiros
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kleinen Hals umzudrehen, bevor er selbst am Galgen baumelte?
    »Wenn du sie weiter so finster anstarrst, wirst du ihren Ruf doch noch irreparabel beschädigen«, flüsterte Kevin.
    Gerard riss seinen Blick los und strich sich mit angespannter Hand den Bart. Als der Admiral in den Zeugenstand gerufen wurde, musste er ein Knurren unterdrücken. Wie sollte er ohne einen einzigen Tropfen von Smythes Kaffee die bombastischen Tiraden dieses Kerls ertragen, ohne einzuschlafen?
    Es war noch schlimmer als befürchtet. Zwei Stunden später war Gerard immer noch redlich bemüht, möglichst ungerührt dreinzusehen, während Snow ihn in den Schmutz zog, ihn als habgieriges Monster darstellte, der es für ein lustiges Späßchen hielt, einen Admiral zu hintergehen und damit Krone und Royal Navy zu diskreditieren. Die Stimmung der Menge schlug langsam um. Die Geschworenen warfen ihm heimlich böse Blicke zu.
    »Sind leicht herumzukriegen, nicht wahr?«, flüsterte Kevin. Zum ersten Mal hörte Gerard Angst in Kevins Stimme. Das war es, was er an diesem Albtraum am meisten fürchtete. Dass Kevin auf die harte Tour lernen würde, dass sein großer Bruder nicht unsterblich war.
    Er achtete auf einen spielerischen Tonfall. »Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Wenn er fertig ist, wollen sie mich vermutlich eigenhändig lynchen.«
    Lucy saß ruhig da, während ihr Vater seine vernichtende Zeugenaussage machte und schaute kein einziges Mal zu Gerard hinüber.
    Als der Admiral mit dem mitreißenden Ruf nach Gerechtigkeit seine Hetzrede beendete, atmete Gerard erleichtert auf, während der Admiral, theatralisch auf seinen Gehstock gestützt, an seinen Platz zurückhumpelte. Gerard hätte der Vorstellung am liebsten applaudiert. Doch als Lucy ihren Schurken von Vater mit einem zärtlichen Lächeln bedachte, rutschte Gerard rastlos umher und zerrte an seinen Ketten.
    Dann machte der Anwalt der Anklage einiges Aufheben um einen Stapel von Unterlagen, den er mit der Leselupe studierte, und hob schließlich die nasale Stimme: »Ich möchte eine Informantin der Anklage in den Zeugenstand rufen.« Er pausierte kurz und räusperte sich. »Miss Lucinda Snow.«

34
     
    Gerard sank wie tödlich getroffen auf der Anklagebank zusammen. Jesus, zu hängen war erträglicher als das hier! Nicht einmal Kevins beruhigende Hand besänftigte seinen Schmerz.
    »Kompliment!«, versuchte Kevin ihn wispernd aufzuheitern. »Wenn du eine Frau dazu kriegen willst, dich zu hassen, dann machst du es richtig.«
    Der anfängliche Aufruhr im Zuschauerraum wurde zu atemloser Stille, als Lucy den Zeugenstand betrat. Sie nahm auf der äußersten Kante Platz, als sei der grobe Holzstuhl ein Königsthron und sie die Prinzessin, die den einfachen Ritter bestraft sehen wollte, weil er es gewagt hatte, den Saum ihres Kleides zu berühren. Sie faltete sittsam die behandschuhten Hände über dem Damentäschchen. Im Glauben, Lucien Snow sei vor lauter Stolz rot angelaufen, warf Gerard dem Admiral einen wütenden Blick zu. Doch der Mann schien völlig geschockt.
    Natürlich! Der Admiral konnte es nicht gutheißen, dass seine Tochter sich auf diese Weise zum öffentlichen Spektakel machte. Lucy schien sich den kleinlichen Racheakt ganz allein ausgedacht zu haben. Gerard schüttelte wehmütig den Kopf und staunte, wie Lucy ihm den letzten Tropfen Blut aus dem Herzen winden konnte und es trotzdem noch vor Hingabe für sie pochte.
    »Miss Snow«, begann der Staatsanwalt die Vernehmung. »Würden Sie bitte den Mann identifizieren, der sich letzten Oktober in Ihrem Haus um eine Anstellung als Leibwächter beworben hat?« Das Wörtchen »Leibwächter« entlockte der Menge ein paar hässliche Lacher.
    »Natürlich.« Sie zeigte mit dem behandschuhten Zeigefinger geradewegs auf Gerard, und ihr Gesicht verriet nicht die leiseste Gemütsregung. Gerard lümmelte nun betont nonchalant auf der Bank und sah ihr direkt in die Augen.
    »Sie sind eine respektierte junge Dame von überragender Intelligenz«, fuhr der Staatsanwalt fort. »Ich darf annehmen, dass Ihnen dieser Schurke von Anfang an Grund gegeben hat, ihn finsterer Motive zu verdächtigen.«
    »Nein, Sir. Das hat er nicht.« Lucy sprach so leise, dass die Zuschauer gezwungen waren, sich still zu verhalten. Und wie still sie waren! Mehr als ein Atemzug oder eine raschelnde Bewegung war aus dem Zuschauerraum nicht mehr zu vernehmen. »Mr. Claremont hat sich überaus ritterlich verhalten. Er hat geschworen, dass ihm mein Leben so teuer
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