Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verführt: Roman (German Edition)

Verführt: Roman (German Edition)

Titel: Verführt: Roman (German Edition)
Autoren: Teresa Medeiros
Vom Netzwerk:
entgegen, um seinen Sturz zu bremsen. Seltsam, dachte er, als sie in einem Gewirr aus Armen und Beinen auf dem Boden landeten – seltsam, dass ausgerechnet solch ein lächerlicher Sturz ihn dahin zurückbrachte, wo er den Rest seines Lebens verbringen wollte. In Lucys Arme.
    Sie hielt ihn auf ihrem Schoß und versuchte mit den behandschuhten Händen verzweifelt die Blutung zu stoppen. Die Tränen tropften ihr von den Wangen, als wollten sie ihm damit die Stirn kühlen. Die weichen Lippen streichelten seine Wange, sein Haar, seinen Mund und ließen ihn den Salzgeschmack der Tränen und des Meeres kosten, das er so liebte.
    »Zur Hölle mit dir, Gerard Claremont«, schimpfte sie schluchzend. »Du bist von allen Männern der Starrsinnigste.«
    Es überraschte ihn, wie schnell der Schmerz sich legte und in den grauen Nebel schwand, der den ganzen Gerichtssaal einzuhüllen schien, nur Lucys ebenmäßiges Gesicht nicht.
    Er packte mit schwindender Kraft ihre Handgelenke. Sie hätte sich für einen wie ihn nicht die hübschen Handschuhe ruinieren sollen! Zärtlich lächelte er zu ihr auf und wünschte sich die Kraft, ihre Tränen zu trocknen und die schmerzverzerrten Gesichtszüge glatt zu streichen.
    »Keine Vorträge, bitte, Miss Snow«, flüsterte er heiser. »Ich hab … nur … meine … Arbeit … gemacht.«
    Seine zitternden Fingerspitzen wollten gerade zu ihrem Antlitz hinauf, als sich der Vorhang der Bewusstlosigkeit endgültig senkte und ihm gnädigerweise Lucys herzzerreißendes Weinen ersparte.

35
     
    Der schrille Schrei einer Möwe störte die Ruhe der kleinen Felsenbucht. Die anmutigen Flügel weit ausgebreitet, schwebte der Vogel unter einem strahlenden Himmel und flog schließlich aufs offene Meer hinaus. Lucy blinzelte in die gleißende Sonne und beneidete die Möwe um deren Freiheit.
    Bald würde es hier in Cornwall Frühling werden. Mollige, flaumige Lämmer würden über die Moorlandschaft tollen, und bunte Wildblumen würden üppig die Wiesen bedecken. Lucy seufzte. Sie wünschte inständig, sich wenigstens ein bisschen daran erfreuen zu können.
    Sie lief den Strand entlang. Der Sand unter ihren nackten Füßen fühlte sich kühl an. Eine steife Brise zerrte an ihrem breitkrempigen Hut. Sie lauschte auf das melancholische Flüstern der Wellen und hielt mit einer Hand den Hut fest. Die See war ruhig heute. So ruhig wie all ihre Tage hier in Cornwall, wo sie schon ihre Kindheit verbracht hatte. Und ebenso einsam wie all ihre Tage.
    Sie kapitulierte vor dem launischen Wind, nahm den Hut ab und ließ ihn an den Bändern von ihrer Hand baumeln. Sie strich sich die Strähnen fort, die der Wind ihr ins Gesicht wehte, und entdeckte auf dem Klippenweg, der sich am anderen Ende des Strandes herunterwand, eine einsame Gestalt.
    Die Haltung des Mannes war sogar auf die Entfernung noch so unverwechselbar, dass Lucys Herz zu pochen begann wie eine Kesselpauke.
    Sein Gang war steifer, als Lucy ihn erinnerte, hatte aber nichts von seiner Souveränität verloren, wie auch die breiten Schultern nichts von ihrer lässigen Eleganz eingebüßt hatten. Der Wind zerzauste das schulterlange Haar, während die Sonne die ingwergelben Reflexe leuchten ließ.
    Lucy spürte keinerlei Überraschung, denn sie hatte immer daran geglaubt, dass er irgendwann kommen würde. Nie zuvor war ihr ein Mann begegnet, der unerledigte Dinge so sehr hasste wie Gerard Claremont.
    Schließlich stand er ihr gegenüber, der Blick melancholisch, die Miene zu ausdruckslos, um ergründet zu werden. Von einer plötzlichen Scheu befallen, grub sie die Zehen in den Sand.
    »Dein Bart fehlt«, plapperte sie jedoch los, als hätte er ihn auf seinen Reisen irgendwo verlegt.
    Er rieb sich schnaubend das blank rasierte Kinn. »Das habe ich dir zu verdanken. Smythe hat ihn mir abrasiert, während ich schlief. Ich nehme an, es war deine Idee, einfach davonzulaufen und mich in der unerbittlichen Obhut deines Butlers zu lassen. Warum hast du mich nicht gleich in Bedlam zum Admiral in die Zelle einquartiert? Wenn ich gewusst hätte, wie rachsüchtig du bist, hätte ich dich nie ein kleines, verwöhntes Biest genannt.«
    »Smythe wollte sich unbedingt um dich kümmern. Um wieder gutzumachen, was …« Sie verstummte.
    »Oh, ich weiß genau, was Smythe getan hat. Er hat mir alles gestanden, während er mir mit dem Löffel Hektoliter von Hammelbrühe eingeflößt hat.«
    Lucy zog mit dem Zeh einen Strich in den Sand und vermied es, ihn anzusehen. »Und du hast ihn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher