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Verfuehrer und Rebell Horst Buchholz - Die Biographie

Verfuehrer und Rebell Horst Buchholz - Die Biographie

Titel: Verfuehrer und Rebell Horst Buchholz - Die Biographie
Autoren: Werner Sudendorf
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Stenotypistinnen einen reichen, gutaussehenden Mann. Von August 1926 bis zum Juli 1928 nahm Maria eine zweite Auszeit, um dann immerhin vier Jahre lang weiter als Stenotypistin zu arbeiten – diesmal in einem Haushaltswarengeschäft.
    Aus Berlin kam 1931 der Student Werner Albert Rhode nach Freiburg und belegte die Fächer Mathematik und Geographie; er wollte Lehrer werden. Werner war der einzige Sohn des Stadtsekretärs Martin Rhode und seiner Frau Wally, eines sehr auf Etikette bedachten Ehepaars. Beide hatten sich schon lange auseinandergelebt, spielten nach außen aber weiter die intakte Familie. Als der Sohn mit achtzehn Jahren seinAbitur machte und nach Freiburg ging, trennten sich auch die Eltern. Werner Rhode trat in Freiburg einer schlagenden Verbindung bei und wählte als seine Herz-Dame – im Burschenschaftsjargon »Couleur-Dame« – die drei Jahre ältere Maria Hasenkamp. Im Frühjahr 1933 wurde Maria von Werner schwanger. So etwas kommt, wie man so sagt, in den besten Familien vor; doch wie würden es die Eltern des jungen Paares aufnehmen? Als Glück, als Schicksalsschlag oder als Katastrophe? Beide entschieden sich für die Katastrophe. Werner musste zurück nach Berlin; sein Vater forderte ihn ultimativ auf, das Verhältnis zu beenden. Auch in der Familie Hasenkamp zogen schwere Wetter auf; Marias Vater ertrug es nicht, dass seine Tochter ohne Anstellung und ohne Mann einer Geburt entgegensah. Die Schande! Er wies die Tochter in biblischer Manier aus dem Haus. Nach dem Glück des Frühlings war der Sommer 1933 für Maria Hasenkamp eine einzige Kränkung. Sie fuhr nach Berlin.
    Reiste Maria mit ihrem Freund, oder fuhr sie ihm aus Verzweiflung nach? Gab es Kontakt zwischen ihren Eltern und denen ihres Freundes? Nichts von alledem ist bekannt; Maria kehrte nicht mehr nach Freiburg zurück und war in Berlin fortan auf sich allein gestellt. Die Eltern Rhode wollten einen Skandal vermeiden und unterstützen sie eine Zeitlang. Auch die erste Unterkunft in der Nollendorfstraße 30 wird von Vater Rhode besorgt worden sein. Dies alles ändert nichts daran, dass Maria als alleinstehende schwangere Frau sozial geächtet war – Freiwild in den Augen kleinbürgerlicher Männer, ein »gefallenes« Mädchen in den Augen vieler Frauen. Maria war weitgehend auf die Hilfe der von Kirchen geführten karitativen Organisationen angewiesen. Adolf Hitler erklärte am 8. September 1934 auf einer Tagung der NS-Frauenschaft in Nürnberg: »Jedes Kind, das die Frau zur Welt bringt, isteine Schlacht, die sie besteht für das Sein oder Nichtsein ihres Volkes.« Das Pathos dieser Worte hatte keinen Bestand vor einer tradierten Verachtung lediger Mütter, die auch im Nationalsozialismus fortbestand. Auch wenn Maria andere Sorgen hatte, als sich im Jahr 1933 um die politischen Ereignisse zu kümmern, so war es doch ihr besonderes Pech, als unverheiratete Mutter in eine Zwischenphase institutionalisierter Fürsorge geraten zu sein. Die staatliche Organisation »Mutter und Kind«, die sich auch lediger Mütter annahm, gab es noch nicht, und die bestehenden kirchlichen Organisationen wurden geduldet, nicht gefördert.
    Als Maria im Dezember 1933 zur Entbindung ins Krankenhaus Neukölln eingewiesen wurde, war sie so verzweifelt, dass sie ihrem Leben ein Ende machen wollte. Sie versuchte sich aus dem Fenster des Badezimmers – des einzigen Raums, in dem sie allein sein konnte – in den Tod zu stürzen. Wegen ihres Leibesumfangs blieb sie im Fensterrahmen stecken und wurde dort von den Krankenschwestern entdeckt; für Maria war das eine neuerliche tiefe Demütigung. Die Geburt von Horst Werner Hasenkamp am 3. Dezember 1933 war schmerzhaft und schwierig. Und wie der Junge aussah! Aus Erzählungen erinnerte sich Horst Buchholz: »Zarter Knochenbau, Kopf war leicht schief, das eine Auge größer als das andere, ein Ohr größer als das andere, und meine dünnen Beine hatten die Form X mit O-Verschluss. Der Arzt hatte vorgeschlagen, sie zu brechen, um sie dann mit der Zeit wieder zusammenwachsen zu lassen.« 1
    Maria sah sich außerstande, für das Kind zu sorgen. Im Krankenhaus Neukölln hatten sich der Straßenbahnschaffner Fritz Nowak und seine Frau Bertha bereit erklärt, den Neugeborenen in Pflege zu nehmen. Ihre beiden Söhne waren schon fast erwachsen, in der Wohnung war es stiller geworden;die Nowaks hatten ein großes Herz. So wohnte Horst Hasenkamp die ersten Jahre in der Bornsdorfer Straße 4 in Neukölln, direkt neben der
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