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Verfuehrer und Rebell Horst Buchholz - Die Biographie

Verfuehrer und Rebell Horst Buchholz - Die Biographie

Titel: Verfuehrer und Rebell Horst Buchholz - Die Biographie
Autoren: Werner Sudendorf
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katholischen Pfarrei St. Clara und unweit einer kleinen, feinen Parkanlage – einer für Neuköllner Verhältnisse durchaus guten Gegend. Bertha und Fritz Nowak waren die ersten Eltern von Horst Buchholz. Sie hatten ihm nicht die Beine brechen lassen; eine über Monate währende tägliche Massage verbesserte die Beinmuskulatur so sehr, dass schließlich auf eine Operation verzichtet wurde. Sonntags besuchte man mit den Söhnen Hans und Herbert Fußballspiele; Hans war aktives Mitglied in einem Neuköllner Verein. Es war eine behütete Kindheit.
    Nach der Geburt war Maria Hasenkamp bei ihrer Freundin Aga Heinsch in Schmargendorf untergekommen. Aga war in Freiburg ebenfalls »Couleur-Dame« gewesen; wenn schon nicht die Burschenschaftler zu ihren Damen standen, so hielten wenigstens die Damen zusammen. Bereits im Februar 1934 trat Maria beim Immobilienbüro Möller am Nollendorfplatz eine Stelle als Stenotypistin an; sie richtete sich in Berlin ein, lernte neue Menschen kennen und wechselte bereits nach einem Jahr für ein Gehalt von 380 Mark im Monat auf eine bessere Stelle bei der Tiefbau AG Julius Berger im Grunewald. Wie alle Deutschen musste Maria ein Arbeitsbuch führen, das sie zunächst als verheiratet, in späterer Korrektur als ledig ausweist. Kinder, so ihre Angabe, hat sie nicht. Die Wochenenden gehörten ihrem Sohn; für ihn hieß die Mutter Tante Maria.
    Im Mai 1938 heiratete der Schuhmachermeister Hugo Buchholz Maria Hasenkamp; sie war inzwischen nach Pankow in die Dunckerstraße 51 gezogen. Der Schuhmacher führte mit seinem Vater in der Nähe ein Ladengeschäft undspezialisierte sich später auf orthopädische Schuhe. Hugo Buchholz stellte die Liebe über altväterliche Vorstellungen von Tugend und Sittsamkeit. Die Sache mit dem Kind, nun ja, das ging in Ordnung; man würde gut zu dritt auskommen. Außerdem zog die kleine Familie in eine richtig moderne Siedlung im Bezirk Prenzlauer Berg, Jäckelstraße 11, Parterre. Die Siedlung war in den zwanziger Jahren von Bruno Taut und Franz Hillinger entworfen worden. Aus allen 1149 Wohnungen konnte man in den begrünten und großzügig bemessenen Innenraum zwischen den Häusern blicken; dort gab es Wasch- und Backhäuser für die Bewohner. Man lebte immer noch in beengten Verhältnissen mit zwei Zimmern, Küche und Bad. Einige Wohnungen hatten schon Zentralheizung, in anderen – wie der von Buchholz – wurde noch mit Kohle geheizt. Auch der Herd musste noch extra befeuert werden. Auf dem Balkon wurden Kaninchen gehalten; statt dunkler Hinterhöfe gab es nun Sonne, Licht und Rasen. Hier konnte man sich zu Hause fühlen. 2
    Nach der Hochzeit besuchten Hugo und seine Frau die Familie Nowak in Neukölln. Zuerst ging Maria in die Wohnung, erzählte von ihrem Mann, der draußen wartete. »Nun gut, hol ihn rein«, ermunterte Fritz Nowak sie. Und Hugo Buchholz wurde Horst als neuer, als richtiger Vater vorgestellt. Er war freundlich, gesellig und lustig. Horst zog ohne großes Geschrei, aber mit stillem Protest zu seinen neuen Eltern. Ein Holzschwert, das ihm der neue Vater mitgebracht hatte, warf er unterwegs in einen Gulli.
    Der Prenzlauer Berg war wie Neukölln ein Arbeiterbezirk. Bei den Reichstagswahlen im März 1933 wählten über 50 Prozent SPD und KPD; die NSDAP kam auf 30,2 Prozent, das war der höchste Stimmenanteil für eine einzige Partei. Bereits im Februar hatte die SA eine Maschinenhalle nahedem Wasserturm an der Treskowstraße in Besitz genommen. Oppositionelle, Mitglieder der KPD und SPD wurden hierher verschleppt, gefoltert und verhört. In der Ruhe der Nacht waren die Schreie der Gefangenen in allen Häusern zu hören. Weil sich auch regimetreue Anwohner bei der Polizei beschwerten, wurde das Gefängnis nach wenigen Monaten aufgelöst. Es hatte seinen Zweck erreicht; jeder Anwohner wusste nun, was ihm bevorstand, falls er sich gegen die neuen Herren stellte. Man musste nicht in der Nachbarschaft wohnen, um darüber Bescheid zu wissen. Straßen wurden umbenannt. Die Jäckelstraße, die an den Gewerkschafter Ernst Hermann Jäckel erinnern sollte, wurde zum Kemmelweg. Kemmel war ein Ort in Flandern, den deutsche Truppen noch 1918 eingenommen hatten.
    Die Familie brachte es zu bescheidenem Wohlstand; 1939 unternahm sie mit dem neu erworbenen Opel Olympia eine Reise ins Erzgebirge und wohnte in einer der vielen für Touristen hergerichteten Bauden. Auf dem Rückweg nach Berlin kamen ihr auf den Straßen Militärtransporte entgegen; Deutschland hatte
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