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Verflucht himmlisch

Verflucht himmlisch

Titel: Verflucht himmlisch
Autoren: Bettina Belitz
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Fräulein, du hättest dir das Genick brechen können! Ist dir das eigentlich klar?« Frau Manke schnipste gegen die Flasche an meinem Tropf. »Du hast eine Gehirnerschütterung und eine Kopfverletzung und eine ausgerenkte Schulter …«
    »Aber Sie haben sie doch wieder eingerenkt!«, fiel ich dazwischen.
    »Keine Widerrede, Luzie. Es ist noch ein schönes Einzelzimmer für dich frei, in dem du niemandem auf den Wecker fallen kannst. Und dort schläfst du dich jetzt aus.«
    Frau Manke griff nach dem Bett und schob es auf den Gang, wo eine dicke Schwester mit strengem Blick es übernahm.
    Na toll. Ein Einzelzimmer. Nicht einmal Gesellschaft durfte ich haben. Und Guiseppe war auch nicht hier. Nur Herr Rübsam. Anscheinend war ich Guiseppe scheißegal.
    »Meine Aufsichtspflicht, meine Aufsichtspflicht«, jammerte Herr Rübsam und rieb sich über sein Gesicht. »Oh Gott …«
    »Nicht schlimm«, sagte ich matt. »War mein Fehler. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    Dann schob die Schwester mich den Gang hinunter zum Aufzug und ich sah Herrn Rübsams dünnen Schatten immer kleiner werden. Armer Herr Rübsam.
    Bevor wir das Zimmer erreichten, fielen mir die Augen wieder zu und alles um mich herum wurde tiefschwarz.
    Vielleicht war es ja doch besser, ein bisschen hierzubleiben.

Nacktgespenst
    »Ohhh – oh. Aua. Auu.« Jetzt gab es nichts mehr an mir, was nicht wehtat. Sogar meine Haut brannte, weil Frau Manke Unmengen an Alkohol verbraucht hatte, um die Farbe aus meinem Gesicht zu entfernen. Ich spürte jeden Stich der Naht am Hinterkopf, meine Schulter und mein Kopf klopften im Takt vor sich hin und es gab keine Position, in der ich bequem liegen konnte. Was mich aber fast noch mehr nervte, war das Gefühl, nicht allein zu sein.
    Dieses Gefühl hatte ich, seitdem ich in diesem Zimmer lag. Oder war es vorher schon da gewesen? Ich griff keuchend unters Bett, löste den Knopf, schob meine Lehne nach oben (aua, mein Arm) und knipste das grelle Licht über mir an. Nein, da war nichts. Nichts und niemand. Licht aus. Doch, da ist jemand. Licht an. Luzie, du spinnst, du spinnst komplett. Licht aus.
    Aber hier war doch etwas! Licht an.
    Hörte ich nicht ein Stöhnen? Ein gläsernes Stöhnen? Ich hielt die Luft an. Hatte Frau Manke mich etwa hierbehalten, weil ich mir durch den Sturz den Kopf so schwer verletzt hatte, dass ich verrückt wurde? »Du bist verrückt«, hatte Seppo gestern noch zu mir gesagt. Super. Wenn ich Pech hatte, stimmte es nun wirklich.
    Entnervt machte ich das Licht wieder aus.
    »Na endlich.« In der Ecke neben dem Kleiderschrank flackerte etwas auf, zeitgleich mit dem gläsernen Flüstern – einem gereizten Flüstern. Es war eine Gestalt. Bläulich-durchsichtig. Ich kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder. Die Gestalt war noch da. Sie flimmerte, mal stärker, mal schwächer. Und sie wandelte sich ständig. Erst war sie klein und dick, dann groß und schlank, dann starr, dann so bewegt, dass ich gar nichts erkennen konnte. Und sie hatte keine Kleider an. Nicht einmal Unterwäsche. Aber sie hatte Augen.
    Ich hangelte nach dem Knopf, mit dem man die Schwestern rufen konnte, und drückte ihn fünf Mal. Dann knipste ich das Licht wieder an. Die Gestalt war verschwunden. Mit rasendem Herzen wartete ich, bis die Nachtschwester ins Zimmer schlurfte.
    »Ja?«, fragte sie und gähnte.
    »Sie müssen ganz schnell Frau Manke holen, ich glaube, mit meinem Kopf stimmt was nicht. Ich werde verrückt.«
    Die Schwester sah mich zweifelnd an und gähnte erneut.
    »Frau Manke hat Feierabend. Verrückt?«, fragte sie irritiert.
    »Jaaa … bitte … Sie müssen was unternehmen. Jetzt. Sofort!«
    Die Schwester trat ein paar Schritte näher und befühlte meine Stirn.
    »Ach Gottchen. Kind. Nein, nein, du wirst nicht verrückt. Du hast Fieber. Und eine Gehirnerschütterung. Da dreht sich die Welt manchmal. In ein paar Tagen ist alles besser.«
    »Nein, das meine ich nicht. Ich meine –« Ich brach ab. Tja. Sollte ich ihr das wirklich sagen? Dass ein blauer Schatten neben dem Schrank stand, sobald ich das Licht ausmachte, und sich ständig veränderte? Das klang reichlich blöd, selbst wenn ich es nur dachte. Wie musste es erst klingen, wenn ich es aussprach?
    »Verrückt«, hauchte es aus der Ecke. »Jawohl, verrückt. Da sagt sie mal was Richtiges.«
    »Haben Sie das gehört?«, rief ich und griff nach dem Ärmel der Schwester. »Dieses komische Flüstern!«
    Ohne zu antworten, zog sie eine dünne Taschenlampe aus der
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