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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau!
Autoren: Christopher Moore
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braucht man direkt eine Assistentin, um mit seinen Launen Schritt halten zu können. Diese Arbeit sollte eigentlich leicht von der Hand gehen, Monsieur. Als ich gestern aufwachte, bemalte er gerade meine Fußnägel.«
    » Nun, er ist ein ausgezeichneter Maler«, sagte Lucien, als könnte das die Sorge des Mädchens lindern. Er betrachtete ihre Füße, doch die Hure trug schwarze Strümpfe. » Sicher sehen sie vortrefflich aus.«
    » Ja, sie waren hübsch wie chinesische Schachteln, aber leider hat er sie in Öl bemalt. Er meinte, ich müsste meine Füße drei Tage hochhalten, bis die Farbe trocken ist. Er hat mir sogar seine Hilfe angeboten. Er ist ein rechter Schlingel.«
    » Und wo könnte ich nach ihm suchen?«, fragte Lucien.
    » Er ist oben bei Mireille. Sie ist ihm die Liebste von allen, weil sie noch kleiner ist als er. Zweite oder dritte Tür oben an der Treppe. Ich bin mir nicht sicher. Sie müssen nur lauschen. Die beiden quieken wie die Äffchen, wenn sie zusammen sind. Es ist direkt unschicklich.«
    » Merci, Mademoiselle«, sagte Lucien.
    Wie angekündigt hörte Lucien ein Quieken, als er zur dritten Tür oben an der Treppe kam, begleitet vom rhythmischen Juchzen einer Frau.
    Lucien klopfte an die Tür. » Henri. Ich bin’s, Lucien.«
    Von drinnen hörte er die Stimme eines Mannes: » Geh weg! Ich reite gerade die Grüne Fee.«
    Dann die Stimme einer Frau, noch immer lachend: » Gar nicht wahr!«
    » Gar nicht wahr? Man hat mich belogen! Lucien, wie es scheint, reite ich das völlig falsche Fabelwesen. Madame, nach Beendigung meines Geschäfts erwarte ich eine vollständige Erstattung meiner Auslagen.«
    » Henri, ich habe Neuigkeiten.« Lucien war der Ansicht, dass der Tod eines Freundes keine Nachricht war, die man durch eine Bordelltür rufen sollte.
    » Sobald ich mein Geschäft beendet…«
    » Dein Geschäft ist bereits beendet«, kicherte Mireille.
    » Nun, so ist es wohl«, sagte Henri. » Einen Moment, Lucien.«
    Die Tür flog auf, und Lucien schreckte zurück, stieß gegen das Geländer, stürzte beinah in den Salon hinab.
    » Bonjour!«, sagte Graf Henri Raymond Marie de Toulouse-Lautrec, der so gut wie nackt war.
    » Du trägst beim Vögeln dein pince-nez?«, fragte Lucien. In der Tat klemmte ein pince-nez auf Henris Nase, die auf Luciens Brustbein zielte.
    » Ich bin ein Künstler, Monsieur. Möchtet Ihr denn, dass ich aufgrund meiner schlechten Augen einen inspirierenden Moment versäume?«
    » Und dein Hut?« Henri trug eine Melone.
    » Das ist mein Lieblingshut.«
    » Dafür kann ich mich verbürgen«, sagte Mireille, die bis auf ihre Strümpfe nackt war. Sie ließ sich aus dem Bett gleiten und tappte zu Henri hinüber, nahm ihm den Zigarrenstumpen aus dem Mund, dann huschte sie zum Waschbecken, paffend wie eine kleine Marshmallow-Lokomotive. » Er reitet nie ohne Hut.«
    » Bonjour, Mademoiselle«, sagte Lucien, der sich seiner Manieren erinnerte und dennoch an Toulouse-Lautrec vorbei- spähte, um der Prostituierten bei der Körperpflege zuzusehen.
    » Ist sie nicht bezaubernd?«, fragte Henri, als er Luciens Blick sah.
    Plötzlich merkte Lucien, dass er bereits eingetreten war und sehr nahe bei seinem nackten Freund stand.
    » Henri, zieh dir bitte eine Hose über!«
    » Schrei mich nicht an, Lucien. Du kommst hier im Morgengrauen herein…«
    » Es ist Mittag.«
    » Im Mittagsgrauen und reißt mich von meiner Arbeit weg…«
    » Meiner Arbeit«, sagte Mireille.
    » …von meinen Recherchen weg«, sagte Toulouse-Lautrec. » Und dann…«
    » Vincent van Gogh ist tot«, sagte Lucien.
    » Oh.« Henri ließ den Finger sinken, den er erhoben hatte, um seinen Standpunkt deutlich zu machen. » Dann sollte ich mir lieber eine Hose anziehen.«
    » Ja«, sagte Lucien, » das wäre besser. Ich warte unten auf dich.«
    Es war nicht seine Absicht gewesen, doch als er den Gesichtsausdruck des Malers sah, wurde ihm klar, dass er Henri eben dasselbe angetan hatte wie die Verkäuferin ihm: Er hatte eine Falltür in die Welt geöffnet, in die Vincent abgestürzt war.
    Lucien wartete ungeduldig bei den Huren. Um diese Tageszeit saßen nur drei im Salon (während das Haus abends vermutlich an die dreißig beherbergte), aber sie saßen alle zusammen auf einem der runden Diwane, und er fand es unhöflich, sich nicht zu ihnen zu gesellen.
    » Bonjour«, sagte er, als er sich setzte. Das Mädchen im roten Negligé, das ihm den Weg gewiesen hatte, war weg, beglückte vermutlich oben einen Freier. Diese drei
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