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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
Autoren: Michael Böckler
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Cielo!«
    Nach einem Schreckensmoment rannte sie nach rechts, sprang über die Mauer und rutschte über die abschüssige Wiese. Sekunden später hielt sie den Kopf der alten Dame in den Händen. Sie brauchte keinen Arzt, um festzustellen, dass Ottilia Balkow tot war. Laura streichelte die kalten Wangen und fuhr ihr zärtlich durch die Haare.

6
    M ark Hamilton saß auf der Terrasse vor dem Hotel des Bains in einem Korbstuhl und tunkte das Frühstückshörnchen in den Caffelatte. Rechter Hand lag die hübsche Gartenanlage mit dem Pool. Links konnte er über eine Oleanderhecke und durch die Allee der Uferstraße Lungomare auf den Eingang zum Strand sehen. Die Models und die Crew waren noch am gestrigen Tag abgereist. Sein Assistent hatte das belichtete Filmmaterial mitgenommen, um es in Deutschland zum Entwickeln zu bringen. Eigentlich wurde vom Fotografen erwartet, dass er eine Vorauswahl der Bilder traf, die dann dem Kunden vorgelegt wurde. Aber Mark hatte diese Aufgabe vertrauensvoll an seinen Assistenten delegiert. Man sollte es mit dem beruflichen Engagement seiner Überzeugung nach nicht übertreiben.
    Vor wenigen Minuten hatte sich endlich auch der überhebliche Werbeleiter der Modefirma verabschiedet. Gestern Abend hatte er noch versucht, Mark zu einem Besuch des Spielkasinos zu überreden. Das sei ein herrliches Erlebnis, hatte er gesagt. Wie in einem schlechten Film. Diese schräge Kulisse dürfe er sich als Fotograf keinesfalls entgehen lassen. Der herrliche alte Palast am Canal Grande, wunderbar dekadent. Und all die aufgetakelten Weiber, einfach köstlich. Und diese Knallchargen von Spielertypen. Der Kerl hatte ihm feixend in die Rippen geboxt. Bei dieser Gelegenheit könne er ja seine Gage am Roulettetisch aufbessern, hatte er gesagt. Um dann laut zu lachen. »Oder verspielen, das geht in null Komma nix!« Sehr sympathisch. Nun, es war ihm nicht schwer gefallen, dieser Versuchung zu widerstehen. Er hatte wirklich Besseres vorgehabt. Er konnte sich noch an seine Erleichterung erinnern, als er den Mann gestern Abend in einem dieser schönen Mahagoniboote des Hotels hatte abfahren sehen. Mit einer dicken Zigarre und einem selbstgefälligen Grinsen. Als ob er in seinem schlechten Film soeben die Hauptrolle übernommen hätte. Mark gefiel dieser Gedanke.
    Jetzt war der Idiot jedenfalls weg. Vorhin hatte er noch lautstark die gesamte Terrasse an seinem weiteren Tagesablauf teilhaben lassen. Dass er nämlich zum Golfclub Venezia fahre und dort eine Zockerrunde mit Freunden aus Beverly Hills spiele. Mark, der den Golfplatz im Süden des Lido von Fotoaufnahmen kannte, fand, dass der traditionsreiche Platz eigentlich viel zu schön für diesen Angeber war. Aber Hauptsache, er hatte sich endlich abgesetzt. Und vielleicht zockten ihn seine Mitspieler richtig ab. Das würde ihm sicher gut tun.
    Mark lehnte sich entspannt zurück. Vor ihm saß Miranda und bestrich einen Panino mit Marmelade. Er lächelte. Zweifellos war die Stylistin letzte Nacht wesentlich lustbringender gewesen als ein Spielkasino. Er sah sie noch vor sich, wie er kurz nach Mitternacht aus dem Badezimmer gekommen war. Nackt hatte sie vor dem geöffneten Fenster ihres Zimmers im Hotel des Bains gestanden. Hinter ihrer aufreizenden Silhouette schimmerte die Adria im Glanz der Sterne und des Monds. Das Salz des Meers, man konnte es fast mit den Lippen schmecken. Langsam hatte sie sich umgedreht, aufreizend an ihre Brüste gefasst und sich mit gespreizten Beinen auf die breite Fensterbank gesetzt …
    Mark gab sich einen Ruck und fand in die Gegenwart zurück. Er tunkte seine Brioche in den Caffelatte und beobachtete Miranda. Sie musste noch heute nach Mailand zu einer Modenschau. Ihren Vorschlag, sie zu begleiten, hatte er leider ablehnen müssen. Zugegeben, das war ihm nicht ganz leicht gefallen. Und die Erinnerung an die vergangene Nacht ließ auch begründete Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung zu. Aber er hatte für die nächsten Tage andere, unumstößliche Pläne.
    Mark sah gedankenverloren zum Nebentisch, wo eine junge Frau in einem Buch las.
    »Kannst du nicht wenigstens warten, bis ich unterwegs nach Mailand bin?«, fragte Miranda.
    »Womit soll ich warten?« Er wirkte leicht irritiert.
    »Damit, andere Frauen anzuschauen!«, stellte Miranda lächelnd fest.
    »Habe ich gar nicht«, protestierte Mark. »Ich habe mich nur für ihr Buch interessiert.«
    »Das ist ja eine besonders faule Ausrede«, entgegnete sie. »Aber so kommst du
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