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Verderbnis

Titel: Verderbnis
Autoren: Mo Hayder
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Raubüberfall.«
    »Ich weiß nichts von einem Raubüberfall. Ich komme von der Zentrale. Ich kriege solche Informationen nicht. Was für ein Raubüberfall?«
    Inzwischen wartete eine Reihe von Kunden. Die Geschäftsführerin winkte einem jungen Mann, der Regale auffüllte, er solle ihren Platz einnehmen. Sie zog den Kassenschlüssel ab, hängte ihn mit einem rosa Gummiband um den Hals und winkte Caffery, er solle mitkommen. Vorbei an einem Lotteriestand und zwei Postschaltern mit herabgelassenen Jalousien gingen sie in einen Lagerraum im hinteren Teil des Ladens. Zwischen Kartons mit Chips und Bündeln nicht verkaufter Zeitschriften blieben sie stehen.
    »Letzte Woche sind welche reingekommen und haben ein Messer gezogen. Zwei Jungs, wissen Sie, mit Kapuzen. Ich war nicht hier. Sie haben nur ungefähr vierzig Pfund erbeutet.«
    »Aber Jungs. Keine Männer.«
    »Nein. Ich glaube, ich weiß ziemlich genau, wer sie sind. Ich muss die Polizei nur dazu bringen, mir zu glauben. Die sehen sich immer noch die Videoaufnahme an.«
    Ein Schwarzweißmonitor in der Ecke zeigte den Hinterkopf des Verkäufers, der gerade ein Lotterielos auszahlte. Hinter ihm erkannte man Reihen von Süßigkeiten und dahinter die Straße. Papiermüll wehte vorbei. Caffery schaute auf den Bildschirm. In der unteren linken Ecke, hinter all den Plakaten, Zeitschriften und geparkten Autos, befand sich die Stelle, an der der blaue Vauxhall gestanden haben musste, den die Frau gesehen hatte. »Heute Morgen ist ein Auto entführt worden.«
    »Ich weiß.« Die Ladenchefin schüttelte den Kopf. »In der Stadt. Mit einem kleinen Mädchen drin. Schrecklich. Einfach schrecklich. Alle reden davon. Sind Sie deswegen hier?«
    »Jemand, mit dem wir gern darüber reden würden, hat vielleicht hier geparkt.« Er klopfte mit der Fingerspitze auf den Bildschirm. »Der Wagen stand den ganzen Tag da. Könnten Sie mir das Videomaterial zeigen?«
    Mit einem anderen Schlüssel an ihrem elastischen rosa Halsband schloss die Frau einen Wandschrank auf. Darin befand sich ein Videorekorder. Sie ließ den Schlüssel fallen und drückte auf eine Taste. Dann runzelte sie die Stirn und drückte auf eine andere Taste. Auf dem Bildschirm erschien eine Meldung: Speichermedium einlegen . Leise fluchend drückte sie auf eine dritte Taste. Der Bildschirm blieb ein, zwei Sekunden leer, dann erschien die Meldung wieder: Speichermedium einlegen . Die Frau schwieg. Sie stand mit dem Rücken zu Caffery und verharrte ein paar Augenblicke völlig reglos. Als sie sich umdrehte, wirkte ihr Gesicht verändert.
    »Was ist?«, fragte er. »Was ist los?«
    »Das Ding läuft nicht.«
    »Was soll das heißen, das Ding läuft nicht?«
    »Es ist nicht eingeschaltet.«
    »Warum nicht?«
    »Ich weiß es nicht. Nein.« Sie wedelte mit der Hand und wischte ihre Worte beiseite. »Das ist gelogen. Ich weiß es wohl. Als die Polizei den Chip mitgenommen hat …«
    »Ja?«
    »Da haben sie gesagt, sie hätten eine andere Karte eingeschoben und das Gerät wieder eingeschaltet. Ich hab’s nicht überprüft. Die Speicherkarte hier ist völlig leer. Außer mir hat niemand einen Schlüssel; also ist seit Montag nichts mehr aufgenommen worden, seit die Polizei hier war und die Bilder von dem Raubüberfall mitgenommen hat.«
    Caffery öffnete die Tür und schaute hinaus in den Laden, vorbei an den Kunden mit ihren Illustrierten und billigen Weinflaschen zur Straße, wo die Autos im Licht der Straßenlaternen parkten.
    »Eins kann ich Ihnen sagen«, die Geschäftsführerin trat zu ihm und schaute auf die Straße hinaus, »wenn er da oben geparkt hat, um zu Fuß in die Stadt zu gehen, dann dürfte er aus Buckland gekommen sein.«
    »Aus Buckland? Ich bin neu hier. In welcher Richtung liegt das?«
    »Richtung Radstock. Midsomer Norton? Kennen Sie das?«
    »Da klingelt nichts.«
    »Na, jedenfalls dürfte er von dort gekommen sein. Radstock, Midsomer Norton.« Sie nestelte am Schlüssel an dem elastischen Band um ihren Hals. Sie roch nach einem Blumenparfüm – leicht und sommerlich, aber billig, wie man es in der Drogerie an der Ecke kaufen konnte. Cafferys Vater war ein Stammtischrassist gewesen. Oberflächlich und gedankenlos. Er hatte seinen Söhnen erklärt, die »Pakis« seien okay und fleißig, aber sie röchen nach Curry. Ganz einfach. Nach Curry und Zwiebeln. Irgendwie erwartete er immer noch, dass es stimmte, musste Caffery sich plötzlich eingestehen. Und ein Teil von ihm war überrascht, wenn es nicht so war.
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