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Verderbnis

Titel: Verderbnis
Autoren: Mo Hayder
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ernsthafte Kopfschmerzen. Realistisch betrachtet gab es nur einen Menschen, mit dem sie darüber sprechen konnte: DI Caffery. Nach ihrer Spätschicht fuhr sie geradewegs zum Büro der MCIU in Kingswood.
    Er stand am Tor neben seinem Wagen, umgeben von gelben Lichtkreisen, die sich in den Bürofenstern hinter ihm spiegelten und die Pfützen funkeln ließen. Er trug einen schweren Mantel und stand ganz still da, als sie auf ihn zukam. Er war dunkelhaarig, mittelgroß und schlank, und an seiner Haltung sah man, dass er auf sich aufpassen konnte. Er war ein guter Detective, ein hervorragender, sagten manche, aber alle tuschelten auch über ihn. Denn Caffery hatte etwas Undurchsichtiges. Etwas Wildes, Eigenbrötlerisches. Man erkannte es in seinen Augen.
    Er machte nicht den Eindruck, als wäre er erfreut, sie zu sehen. Ganz und gar nicht. Sie zögerte. Lächelte unsicher.
    Er ließ die Hand von dem Tastenfeld sinken, auf dem er seinen Zugangscode eingegeben hatte. »Wie geht’s?«
    »Gut.« Sie nickte, immer noch ein bisschen verdattert wegen seines Gesichtsausdrucks. Noch ein paar Monaten zuvor hatte er sie völlig anders angesehen – so, wie ein Mann eine Frau ansehen soll. Ein- oder zweimal. Aber jetzt tat er es nicht. Jetzt betrachtete er sie, als hätte sie ihn enttäuscht. »Und Ihnen?«
    »Ach, Sie wissen schon – der gleiche Mist, ein neuer Tag. Ich höre, Ihre Einheit hat ein paar Probleme.«
    Die Neuigkeiten verbreiteten sich schnell bei dieser Polizei. Die Unterwassersucheinheit hatte in letzter Zeit ein paarmal gepatzt: Bei einem Einsatz in Bridgewater hatten sie im Fluss nach einem Selbstmordopfer gesucht und waren geradewegs an der Leiche vorbeigeschwommen. Dazu kam die Kleinigkeit von Ausrüstungsgegenständen im Wert von tausend Pfund, die sie auf dem Grund des Bristol Harbour versenkt hatten. Und es gab noch mehr – kleinere Fehler und Missgeschicke, die sich insgesamt zu der hässlichen Wahrheit addierten, dass die Unterwassersucheinheit aus dem Tritt geraten sei: Leistungsvorgaben nicht erreicht, Erfolgsprämien eingefroren – und verantwortlich dafür war nur eine Person: der Sergeant. Schon zum zweiten Mal an diesem Tag wurde sie darauf angesprochen.
    »Ich kann’s allmählich nicht mehr hören«, sagte sie. »Wir hatten unsere Probleme, aber wir haben die Kurve gekriegt. Da bin ich sehr zuversichtlich.«
    Er nickte skeptisch und spähte die Straße entlang, als suchte er nach einem Grund, weshalb sie beide immer noch hier standen. »Und?«, fragte er. »Was treibt Sie her, Sergeant Marley?«
    Sie atmete ein und hielt die Luft an. Einen Moment lang dachte sie daran, ihm nichts zu sagen, weil er sich kalt und abweisend benahm. Sie hatte das Gefühl, als würden alle Enttäuschungen der Welt von ihm auf sie übergehen. Sie atmete aus. »Okay. Ich hab vorhin in den Nachrichten von dem Carjacker gehört.«
    »Und?«
    »Ich dachte mir, das sollten Sie wissen. Er hat es schon mal getan.«
    »Was getan?«
    »Der Typ, der diesen Yaris entführt hat? Er hat es schon mal getan. Und er ist nicht einfach ein Carjacker.«
    »Wovon reden Sie?«
    »Ein Mann, ja? In einer Santa-Claus-Maske? Er hat ein Auto entführt? Mit einem Kind drin? Tja, das war das dritte Mal.«
    »Moment mal. Immer mit der Ruhe.«
    »Hören Sie, ich hab Ihnen nichts erzählt. Ich hab mich damit schon beim ersten Mal in die Scheiße geritten. Hab mich zu sehr eingemischt und dafür irgendwann Prügel von meinem Inspector bezogen: Ich solle damit aufhören, sagte er, und mich vom Revier in Bridewell fernhalten. Niemand war tot oder so was; also hab ich eigentlich nur meine Zeit verplempert. Also, das alles wissen Sie nicht von mir. Okay?«
    »Ich höre.«
    »Vor zwei Jahren, bevor Sie aus London hierher versetzt wurden, war da eine Familie unten in den Docks. Ein Mann überfällt sie, nimmt ihnen die Autoschlüssel weg, schnappt sich den Wagen. In diesem Frühjahr noch einmal. Erinnern Sie sich, dass ich den toten Hund gefunden habe, im Steinbruch, oben bei Elf’s Grotto? Den Hund dieser Frau? Die Mordsache?«
    »Ich erinnere mich, ja.«
    »Aber wissen Sie, warum meine Einheit überhaupt dort im Steinbruch getaucht hat?«
    »Nein. Ich glaube, ich habe überhaupt nie …« Er unterbrach sich. »Doch, ich weiß es. Es ging um Carjacking. Sie haben angenommen, der Kerl hätte den Wagen im Steinbruch versenkt. Richtig?«
    »Wir hatten einen Anruf bekommen, von einem Münztelefon an der Autobahn. Ein Zeuge behauptete, er habe gesehen, wie
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