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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord
Autoren: Wahlberg
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gehörte zwar nicht zu den Leuten, die diese Art von Büchern zu Hause hatten, aber so einiges hatte er natürlich auch aufgeschnappt. Eine Herzensangelegenheit. Die Pumpe, der Lebensmotor, konnte bei einem Mann in seinem Alter schon mal stottern. Er befand sich in der Gefahrenzone, und zwar ständig.
    Gefäße und Herz. Seele und Schmerz.
    Zwei Kollegen hatten im letzten Schuljahr einen Herzinfarkt erlitten, beide lebten noch, hatten aber ihre Lebensgewohnheiten ändern müssen. Sie waren immer noch vom Tode gezeichnet, jedenfalls in Bodéns Augen. Aber wer war das nicht?, dachte er und schauderte innerlich. Alle mussten früher oder später sterben, aber er zog, ohne zu zögern, einen späteren Zeitpunkt vor. Ohne Leiden. Ohne Schmerzen und Unbehagen.
    Er konzentrierte sich. Seine Schwäche kam nicht aus dem Brustbereich. Sein Herz klopfte brav vor sich hin. Außerdem schien der Zwischenfall bereits vorüber zu sein. Kopf oben und Füße unten. Seine Umgebung hatte sich gefestigt. Also würde er in Zukunft tunlichst vermeiden, sich über Belangloses aufzuregen. Vielleicht war es ja was Psychisches? Ein Kollaps! Nicht, dass es ihm gefallen hätte, aber in gewissen Lagen schien es angemessen. Ein vorübergehender Kollaps war einem Defekt eines der größeren, vitalen Organe vorzuziehen.
    Die ganzen Sommerferien lagen vor ihm. Seine Kleidung war entsprechend, leger und urlaubstauglich. Im Großen und Ganzen trug er jeden Sommer dasselbe. Seine Tofta-Klamotten. Nichts Enges, nichts, was zwickte. Die beige Windjacke besaß er schon lange, das dunkelblaue Polohemd einer Snobmarke hatte ihm seine Tochter vor Jahren geschenkt, gut eingetragene Jeans, dunkelblaue Strümpfe und schwarze Ecco-Sandalen, die mindestens sechs oder sieben Jahre alt waren.
    Wie ein Soldat auf seinem Posten stand er mit auf beide Beine gleichmäßig verteiltem Körpergewicht da. Trotzdem befiel ihn ein stetig zunehmender Druck in seinem Kopf. Die Panik schlich sich an und explodierte plötzlich. Zugleich züngelten heiße Flammen wie von einer Feuersbrunst seinen Hals hinauf, pochten hinter seinen Augen und versprühten einen Funkenregen.
    Aber er würde nicht zusammenbrechen. Das gehörte sich nicht. Am allerwenigsten in der Spirituosenhandlung, schließlich war er kein Säufer.
    Mit Willenskraft ließ sich das meiste in den Griff kriegen. Oder mit dem Intellekt. Davon war er vollkommen überzeugt. Alles andere war schlapp und kraftlos.
    Deswegen versuchte er den Verlauf aufzuhalten, die inneren Organe zu manipulieren, zu verhindern, dass der Druck zunahm und die Geräusche leiser wurden. Er atmete gleichmäßig. Wie beim Yoga. Er hatte Nina in Aktion gesehen. Gerader Rücken, Schneidersitz, die Arme ausgestreckt, die Handflächen nach oben. Vielleicht ging es ja genauso gut im Stehen. Langsam einatmen, langsam ausatmen. Kontrolle. Selbstbeherrschung. Nicht die Augen schließen, obwohl er gern gewollt hätte. Die Angst kontrollieren, indem man ihr nicht auswich, indem man alles widerstandslos geschehen ließ. In seinen Ohren brauste es, als sei Wasser oder Watte darin. Und zwar in beiden. Nicht nur im rechten. Das war neu und besonders unangenehm. Ein dumpfes Pochen.
    Aber er blieb stehen. Schwankend zwar, aber aufrecht. Nichts Gefährliches konnte ihm widerfahren. Aber der Raum schien kleiner zu werden, stickiger, die Stimmen wurden leiser, und das Klirren der Flaschen verschwand in weiter Ferne.
    Dann begann wieder alles zu kreisen. Die Neonröhren schwangen hin und her. Schwankten unberechenbar.
    Pfui Teufel!
    Die Angst ging mit ihm durch. Sein Magen verkrampfte, drehte sich. Luft drang nach oben, und er rülpste vorsichtig ein, zwei Mal, und das half. Toi, toi, toi! Ihm war nicht direkt übel, vielleicht war es ja Glück, dass er nichts im Magen hatte.
    Was sollte das eigentlich? Hatte er einen Pfropf im Ohr?
    Wirklich nicht!
    Er hatte schon seit einiger Zeit rechts schlechter gehört, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Die Veränderung war sachte erfolgt und deswegen leicht zu ignorieren gewesen. Zumindest für jemanden wie ihn. Es musste viel passieren, bis er einen Arzt aufsuchte. Das wusste er und Nina auch. Deswegen hatte sie in letzter Zeit auch kaum noch etwas gesagt. Sein Organismus hatte ihm bisher auch noch keinen größeren Ärger bereitet. Außerdem besaß er eine vergleichsweise gute Kondition. Das musste helfen.
    Aber der wunde Punkt existierte, und zwar sehr weit innen. Er quälte ihn und hielt ihn davon ab, Hilfe zu suchen.
    Er
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