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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege
Autoren: Charlotte Link
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häufig krank, litt fast ständig unter Kopfschmerzen und Schwindel. Phillip war daher recht besorgt.
    »Die lange Reise könnte zu anstrengend für dich sein«, meinte er. »Wollen wir lieber hierbleiben?«
    »Ich hoffe, daß es gehen wird«, entgegnete Harriet. »Ihr sollt nicht meinetwegen auf London verzichten. Ich werde ohnehin immer mehr zu einer Last für euch.«
    So wurde die Abreise wie geplant vorbereitet. Es dauerte eine endlose Zeit, bis alles, was Harriet zum Mitnehmen für wichtig hielt, zusammengesucht und in riesige Kisten verpackt war. Die Dienstboten stöhnten und jammerten und rannten wie gehetzt durch das Haus. Währenddessen liefen Joanna und Elizabeth im Park herum, um Abschied zu nehmen von den Plätzen, an denen sie sich im Sommer am liebsten aufgehalten hatten. Von dem Bach, durch den man an heißen Tagen so schön barfuß waten
konnte, von der weitverzweigten Eiche, an der sie in schwindelerregende Höhen hinaufgeklettert waren, von der Wiese mit den wilden Blumen, der Ponyweide und dem unheimlichen finsteren Waldstück. Elizabeth fühlte sich von Joannas lautstarken, kummervollen Abschiedsbekundungen angesteckt und entdeckte dabei, daß sie Heron Hall bereits wie ein Zuhause empfand, lange nicht so wie Louisiana natürlich, aber es übte einen leisen Zauber auf sie aus. Daneben stieg ein wenig Aufregung in ihr auf wegen des bevorstehenden Abenteuers der Londonreise.
    Am 20. Oktober brachen sie auf. Sie fuhren in drei Kutschen, weil Harriet auf eine ausgewählte achtköpfige Dienerschaft nirgends verzichten konnte. Sie selbst saß mit Phillip und ihrer Zofe Edna in der vordersten Kutsche, während Cynthia, Joanna und Elizabeth mit dem Kindermädchen Agatha den zweiten Wagen hatten besteigen müssen. Harriet konnte ihre Kinder auf dieser Fahrt keinen Moment ertragen, so elend fühlte sie sich. Beängstigend bleich, die Stirn voller Schweiß, ein Taschentuch in der zitternden Hand zerknäult, so lehnte sie in ihrer Ecke und kämpfte gegen Übelkeit und Ohnmacht. Edna, die ihre Herrin seit dreißig Jahren kannte, behielt ihre gleichmäßige Ruhe, stützte Harriets Kopf und hielt ihr immer wieder das stärkende Riechsalz unter die Nase. Phillip hingegen konnte seine Unruhe nicht verbergen.
    »Wollen wir nicht doch lieber umkehren?« fragte er einmal, aber Harriet antwortete mit zusammengebissenen Zähnen:
    »Nein, es wird nicht besser mit mir. Ich muß das jetzt durchhalten! «
    Kurz hinter King’s Lynn kamen sie zu einem Wirtshaus, an dem sie sich mit John Carmody treffen wollten. Er saß schon auf seinem Pferd, als die Wagen in den Hof rollten. Joanna hing weit zum Fenster hinaus.
    »Hallo, Sir«, rief sie aufgeregt. Er ritt an ihre Kutsche heran.
    »Guten Morgen«, grüßte er, »ihr seht aus, als freut ihr euch auf London!«
    »Es wird wunderbar«, sagte Joanna, die ihren Abschiedsschmerz
in dem Augenblick vergessen hatte, in dem Heron Hall aus ihrer Sichtweite verschwunden war.
    »Joanna findet alles wunderbar«, warf Cynthia ein, »dabei erlebt sie die wirklich schönen Dinge gar nicht. Aber ich gehe in diesem Winter zum ersten Mal in eine Oper!« Ihre Stimme zitterte vor Stolz.
    »Großartig«, entgegnete John, ohne dabei auszusehen, als sterbe er gleich vor Neid. Er wandte sich an Elizabeth.
    »Und du, freust du dich auch?«
    Elizabeth nickte heftig.
    »London muß so schön sein«, meinte sie. John lächelte. »Nicht nur und nicht überall. Aber für euch sicher. Nun, hoffen wir, daß wir bald dort sind!« Er ritt weiter und hielt neben Phillips Kutsche.
    »Guten Morgen, Sir. Mylady.«
    Harriet öffnete die Augen.
    »Ah, John, wie schön, daß Sie uns begleiten«, murmelte sie.
    »Sie fühlen sich nicht wohl, Mylady, nicht wahr?«
    »Lady Sheridy verträgt das Reisen nicht«, antwortete Phillip. »Na, John, wie geht’s? Was haben Sie denn da?« Er wies auf eine Pergamentrolle, die John in den Händen hielt. John zögerte.
    »Eigentlich ein Geschenk für Sie, Sir«, sagte er, »aber es wird Sie aufregen. Vielleicht sollten wir mit Rücksicht auf Lady Sheridys Befinden...«
    »Ach, geben Sie schon her. Sicher wieder revolutionärer Unsinn! « Phillip griff nach dem Papier und entrollte es. Sein Gesicht verfinsterte sich sofort.
    »Das sind die Menschen- und Bürgerrechte«, schnaubte er, »nach den Ideen von diesem Lafayette. Gültig seit dem 27. August 1789 in ganz Frankreich. Harriet, hör dir das an! Artikel eins: Alle Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten!
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