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Verblendung

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Titel: Verblendung
Autoren: Stieg Larsson
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zahlen musste.«
    »Mmh, das waren vielleicht Zeiten«, sagte Robert lächelnd. »Und Hans-Erik Wennerström rang - genau wie alle anderen Akteure auf dem Markt - mit demselben Problem. Das Unternehmen hatte Milliarden in verschiedenen Papieren fest angelegt, aber verblüffend wenig liquide Mittel. Von einem Tag auf den anderen konnte es sich keine Fantasiebeträge mehr leihen. Normalerweise würde man in so einer Situation ein paar Immobilien verschachern und sich nach dem Verlust die Wunden lecken - aber 1992 wollte plötzlich kein Schwein mehr Immobilien kaufen.«
    »Ein Cashflow-Problem.«
    »Genau. Und mit solchen Problemen stand Wennerström nicht alleine da. Jeder Geschäftsmann …«
    »Keine Geschäftsmänner. Nenn sie, wie du willst, aber solche Leute Geschäftsmänner zu nennen, kommt der Verunglimpfung eines seriösen Berufsstandes gleich.«
    »… also von mir aus die Börsenhaie, die hatten Cashflow-Probleme. Du musst es mal so betrachten: Wennerström hat sechzig Millionen Kronen bekommen. Sechs Millionen hat er zurückgezahlt, aber erst nach drei Jahren. Die Ausgaben für Minos können eine Million nicht überstiegen haben. Allein die Zinsen für sechzig Millionen über drei Jahre hinweg bedeuten schon einen ordentlichen Gewinn. Je nachdem, wie er das Geld investiert hat, kann er die SIB-Gelder verdoppelt oder verzehnfacht haben. Und dann reden wir nicht mehr von Bagatellbeträgen. Prost übrigens.«

Kapitel 2
    Freitag, 20. Dezember
     
    Dragan Armanskij war sechsundfünfzig Jahre alt und in Kroatien geboren. Sein Vater war ein armenischer Jude aus Weißrussland, seine Mutter eine bosnische Muslima mit griechischem Blut in den Adern. Sie war für seine Erziehung verantwortlich gewesen, und so war er als Erwachsener Teil der großen, vielschichtigen Gruppe, die von den Massenmedien als »Muslime« bezeichnet wird. Die Einwanderungsbehörde führte ihn in ihren Listen seltsamerweise als Serben. Sein Pass bewies, dass er schwedischer Staatsbürger war, und das Passfoto zeigte ein viereckiges Gesicht mit einer ausgeprägten Kieferpartie, dunklem Bart und grauen Schläfen. Er wurde oft »Araber« genannt, obwohl es nicht den geringsten arabischen Einschlag in seiner Familie gab. Hingegen war er eine genetische Mischung, die Dummköpfe mit einem Faible für Rassenbiologie mit großer Wahrscheinlichkeit als minderwertiges Menschenmaterial bezeichnen würden.
    Sein Aussehen erinnerte entfernt an das Stereotyp eines kleinen Bandenführers in einem amerikanischen Gangsterfilm. In Wirklichkeit war er weder Rauschgiftschmuggler noch Schutzgeldeintreiber für die Mafia. Er war ein scharfsinniger Betriebswirtschaftler, der Anfang der siebziger Jahre als kaufmännischer Assistent bei der Sicherheitsfirma Milton Security angefangen hatte und drei Jahrzehnte später zum Geschäftsführer dieses Unternehmens aufgestiegen war.
    Sein Interesse an Sicherheitsfragen war im Nachhinein gewachsen und hatte sich mit der Zeit in Faszination verwandelt. Es war wie ein Strategiespiel - Gefahren erkennen, Verteidigungsstrategien entwickeln und Industriespionen, Erpressern und Dieben das Handwerk legen. Es begann damit, dass er entdeckte, wie ein Kunde durch kreative Buchführung sehr geschickt betrogen worden war. Er konnte nachweisen, wer aus einer Gruppe von zwölf Leuten dahintersteckte, und noch dreißig Jahre später erinnerte er sich, wie überrascht er gewesen war, als ihm aufging, dass diese Unterschlagung nur deswegen möglich gewesen war, weil es das betreffende Unternehmen versäumt hatte, ein paar einfache Lücken in seinem Sicherheitssystem zu schließen. Er selbst wurde vom kleinen Buchhalter zu einem der Verantwortlichen für die Weiterentwicklung der Firma und zum Experten für Wirtschaftsbetrug. Nach fünf Jahren stieg er in den Führungskreis auf, und nach weiteren zehn Jahren wurde er - nicht ganz ohne Gegenstimmen - Geschäftsführer. Doch die kritischen Stimmen waren seit Langem verstummt. In all den Jahren hatte er Milton Security zu einer der kompetentesten und gefragtesten Beratungsfirmen für Sicherheitsthemen gemacht.
    Milton Security hatte dreihundertachtzig Vollzeitangestellte und knapp dreihundert zuverlässige freie Mitarbeiter, die nach ihrem jeweiligen Einsatz bezahlt wurden. Verglichen mit Falck oder dem Schwedischen Überwachungsdienst war es also ein kleines Unternehmen. Als Armanskij in der Firma anfing, hieß sie immer noch Johan Fredrik Miltons Allgemeine Bewachungs-AG, und ihr Kundenkreis
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