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Verblendung

Verblendung

Titel: Verblendung
Autoren: Stieg Larsson
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und hinterher damit ankommen, dass ich nichts davon weitergeben darf.«
    »Und ob ich das kann. Alles, was ich bis jetzt erzählt habe, ist der Öffentlichkeit bekannt. Du kannst sogar den Bericht einsehen, wenn du willst. Über den Rest der Story - das, was ich noch nicht erzählt habe - kannst du gerne was schreiben, aber du musst mich als anonyme Quelle behandeln.«
    »Aha. Aber nach der gängigen Terminologie bedeutet off the record , dass man mir im Vertrauen etwas erzählt, ich aber nichts drüber schreiben darf.«
    »Ich scheiß auf die Terminologie. Schreib, was du willst, aber lass mich dabei aus dem Spiel, okay?«
    »Selbstverständlich«, antwortete Mikael.
    Was, im Nachhinein betrachtet, ein Fehler gewesen war.
    »Na dann. Diese Story mit Minos spielte sich also vor zehn Jahren ab, direkt nach dem Mauerfall, als die Bolschewiken langsam anständige Kapitalisten wurden. Ich gehörte zu dem Personenkreis, der Wennerströms Geschäfte untersuchte, und ich dachte mir die ganze Zeit, dass irgendwas an dieser Story verdammt faul war.«
    »Warum hast du während der Untersuchung nichts gesagt?«
    »Ich habe es mit meinem Chef durchgesprochen. Aber letztlich hatten wir keine Handhabe. Die Papiere waren in Ordnung. Ich musste den Untersuchungsbericht abzeichnen. Doch jedes Mal, wenn ich in der Presse auf Wennerströms Namen stieß, habe ich an Minos gedacht.«
    »Mhm.«
    »Die Sache war allerdings die, dass meine Bank Mitte der neunziger Jahre ein paar Geschäfte mit Wennerström machte. Große Geschäfte, bei denen er nicht den besten Eindruck hinterließ.«
    »Er hat euch um euer Geld gebracht?«
    »Nein, nein, beide Seiten haben an diesen Geschäften verdient. Es war eher so, dass … Ich weiß nicht recht, wie ich dir das erklären soll. Ich rede hier gerade über meinen eigenen Arbeitgeber, was mir etwas unangenehm ist. Aber der Gesamteindruck, den ich von Wennerström gewann, war kein guter. Er hat ja in den Medien das Image des großen Machers. Davon lebt er. Das ist sein Vertrauenskapital.«
    »Ich weiß, was du meinst.«
    »Ich hatte den Eindruck, dass der Kerl ganz einfach ein riesengroßer Bluff ist. Er ist überhaupt kein besonders begabter Betriebswirtschaftler. Im Gegenteil. Ich konnte feststellen, dass seine Kenntnisse in manchen Dingen wahnsinnig oberflächlich sind. Er hatte ein paar wirklich hochintelligente young warriors als Berater, aber ich verabscheute ihn eben von ganzem Herzen.«
    »Okay.«
    »Vor ein paar Jahren war ich in einer ganz anderen Angelegenheit in Polen. Unsere Gesellschaft traf sich zu einem Geschäftsessen mit ein paar Investoren in Lodz, und ich landete zufällig mit dem Bürgermeister am selbem Tisch. Wir sprachen unter anderem darüber, wie schwierig es doch ist, Polens Wirtschaft in die Gänge zu bekommen, und als Beleg dafür erwähnte ich das Minos -Projekt. Der Bürgermeister blickte einen Moment lang völlig verständnislos drein - als hätte er noch nie von Minos gehört -, schien sich dann jedoch an so ein kleines Pipifax-Unternehmen erinnern zu können, das nie so richtig auf die Füße gekommen war. Er wischte es mit einem Lachen vom Tisch und sagte - ich zitiere wörtlich -, wenn das alles wäre, was schwedische Investoren zustande brächten, dann müsste Schweden demnächst zusammenbrechen. Kannst du mir folgen?«
    »Dieser Ausspruch lässt vermuten, dass der Bürgermeister von Lodz ein kluges Kerlchen ist, aber erzähl weiter.«
    »Dieser Satz blieb bei mir hängen und spukte mir unablässig im Hinterkopf herum. Am nächsten Morgen hatte ich einen Geschäftstermin, aber den Rest des Tages hatte ich frei. Mich ritt der Teufel, ich fuhr hinaus und sah mir die stillgelegte Minos -Fabrik an. Sie befand sich in einem kleinen Dorf außerhalb von Lodz, mit einer Kneipe in einer Scheune und Plumpsklos im Hof. Die große Minos -Fabrik war eine baufällige Bruchbude. Ein altes Lagergebäude aus Wellblech, das die Rote Armee in den fünfziger Jahren errichtet hatte. Auf dem Grundstück traf ich einen Wächter, der ein bisschen Deutsch sprach, und erfuhr, dass eine seiner Kusinen bei Minos gearbeitet hatte. Diese Kusine wohnte ganz in der Nähe, und wir gingen zu ihr. Der Wächter übersetzte. Möchtest du wissen, was er gesagt hat?«
    »Ich kann kaum noch an mich halten.«
    » Minos nahm 1992 den Betrieb auf. Es gab maximal fünfzehn Angestellte, die meisten von ihnen waren irgendwelche alten Weiblein. Der Lohn lag bei knapp hundertfünfzig Kronen im Monat. Am Anfang
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