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Venus im Pelz

Venus im Pelz

Titel: Venus im Pelz
Autoren: Leopold von Sacher Masoch
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durch die düsteren Laubgänge, über die hellen Rasenplätze, in das Dickicht, durch das nur einzelne Mondstrahlen brechen; ich finde den Weg nicht mehr, ich irre umher, kalte Tropfen perlen mir auf der Stirne.
    Endlich bleibe ich stehen und halte einen kurzen Monolog.
    Er lautet – nun – man ist ja immer sich selbst gegenüber entweder sehr artig oder sehr grob.
    Ich sage also zu mir: Esel!
    Dieses Wort übt eine großartige Wirkung, gleich einer Zauberformel, die mich erlöst und zu mir bringt.
    Ich bin im Augenblicke ruhig.
    Vergnügt wiederhole ich: Esel!
    Ich sehe nun wieder alles klar und deutlich, da ist der Springbrunnen, dort die Allee von Buchsbaum, dort das Haus, auf das ich jetzt langsam zugehe.
    Da – plötzlich noch einmal – hinter der grünen, vom Mondlicht durchleuchteten, gleichsam in Silber gestickten Wand, die weiße Gestalt, das schöne Weib von Stein, das ich anbete, das ich fürchte, vor dem ich fliehe.
    Mit ein paar Sätzen bin ich im Hause und hole Atem und denke nach.
    Nun, was bin ich jetzt eigentlich, ein kleiner Dilettant oder ein großer Esel?
    Ein schwüler Morgen, die Luft ist matt, stark gewürzt, aufregend. Ich sitze wieder in meiner Gaisblattlaube und lese in der Odyssee von der reizenden Hexe, die ihre Anbeter in Bestien verwandelt. Köstliches Bild der antiken Liebe.
    In den Zweigen und Halmen rauscht es leise und die Blätter meines Buches rauschen und auf der Terrasse rauscht es auch.
    Ein Frauengewand –
    Da ist sie – Venus – aber ohne Pelz – nein, diesmal ist es die Witwe und doch – Venus – oh! welch ein Weib!
    Wie sie dasteht im leichten, weißen Morgengewande und auf mich blickt, wie poetisch und anmutig zugleich erscheint ihre feine Gestalt; sie ist nicht groß, aber auch nicht klein, und der Kopf, mehr reizend, pikant – im Sinne der Französischen Marquisenzeit – als streng schön, aber doch wie bezaubernd, welche Weichheit, welcher holde Mutwille umspielen diesen vollen, nicht zu kleinen Mund – die Haut ist so unendlich zart, daß überall die blauen Adern durchschimmern, auch durch den Mousselin, welcher Arm und Busen bedeckt, wie üppig ringelt sich das rote Haar – ja, es ist rot – nicht blond oder goldig – wie dämonisch und doch lieblich spielt es um ihren Nacken, und jetzt treffen mich ihre Augen wie grüne Blitze – ja, sie sind grün, diese Augen, deren sanfte Gewalt unbeschreiblich ist – grün, aber so wie es Edelsteine, wie es tiefe, unergründliche Bergseen sind.
    Sie bemerkt meine Verwirrung, die mich sogar unartig macht, denn ich bin sitzen geblieben und habe noch meine Mütze auf dem Kopfe.
    Sie lächelt schelmisch.
    Ich erhebe mich endlich und grüße sie. Sie nähert sich und bricht in ein lautes, beinahe kindliches Lachen aus. Ich stottere, wie nur ein kleiner Dilettant oder großer Esel in einem solchen Augenblicke stottern kann.
    So machen wir unsere Bekanntschaft.
    Die Göttin fragt um meinen Namen und nennt mir den ihren. Sie heißt Wanda von Dunajew.
    Und sie ist wirklich meine Venus.
    »Aber Madame, wie kamen Sie auf den Einfall?«
    »Durch das kleine Bild, das in einem Ihrer Bücher lag –«
    »Ich habe es vergessen.«
    »Die seltsamen Bemerkungen auf der Rückseite –«
    »Warum seltsam?«
    Sie sah mich an. »Ich habe immer den Wunsch gehabt, einmal einen ordentlichen Phantasten kennenzulernen – der Abwechslung wegen – nun, Sie scheinen mir nach allem einer der tollsten.«
    »Meine Gnädige – in der Tat –« wieder das fatale, eselhafte Stottern und noch dazu ein Erröten, wie es für einen jungen Menschen von sechzehn Jahren wohl passen mag, aber für mich, der beinahe volle zehn Jahre älter –
    »Sie haben sich heute nacht vor mir gefürchtet.«
    »Eigentlich – allerdings – aber wollen Sie sich nicht setzen?«
    Sie nahm Platz und weidete sich an meiner Angst – denn ich fürchtete mich jetzt, bei hellem Tageslichte, noch mehr vor ihr – ein reizender Hohn zuckte um ihre Oberlippe.
    »Sie sehen die Liebe und vor allem das Weib«, begann sie, »als etwas Feindseliges an, etwas, wogegen Sie sich, wenn auch vergebens, wehren, dessen Gewalt Sie aber als eine süße Qual, eine prickelnde Grausamkeit fühlen; eine echt moderne Anschauung.«
    »Sie teilen sie nicht.«
    »Ich teile sie nicht«, sprach sie rasch und entschieden und schüttelte den Kopf, daß ihre Locken wie rote Flammen emporschlugen.
    »Mir ist die heitere Sinnlichkeit der Hellenen Freude ohne Schmerz – ein Ideal, das ich in meinem Leben
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