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Venus im Pelz

Venus im Pelz

Titel: Venus im Pelz
Autoren: Leopold von Sacher Masoch
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lieber Sewtschu –« sprach sie ängstlich.
    »Was Sewtschu«, schrie er, »gehorchen sollst du, gehorchen, verstehst du«, und er riß den Kantschuk, welcher neben seinen Waffen hing, vom Nagel.
    Die hübsche Frau floh wie ein Reh rasch und furchtsam aus dem Gemache.
    »Warte nur, ich erwische dich noch«, rief er ihr nach.
    »Aber Severin«, sagte ich, meine Hand auf seinen Arm legend, »Wie kannst du die hübsche kleine Frau so traktieren!«
    »Sieh dir das Weib nur an«, erwiderte er, indem er humoristisch mit den Augen zwinkerte, »hätte ich ihr geschmeichelt, so hätte sie mir die Schlinge um den Hals geworfen, so aber, weil ich sie mit dem Kantschuk erziehe, betet sie mich an.«
    »Geh' mir!«
    »Geh' du mir, so muß man die Weiber dressieren.«
    »Leb' meinetwegen wie ein Pascha in deinem Harem, aber stelle mir nicht Theorien auf –«
    »Warum nicht«, rief er lebhaft, »nirgends paßt Goethes ›Du mußt Hammer oder Amboß sein‹ so vortrefflich hin wie auf das Verhältnis von Mann und Weib, das hat dir beiläufig Frau Venus im Traume auch eingeräumt. In der Leidenschaft des Mannes ruht die Macht des Weibes, und es versteht sie zu benützen, wenn der Mann sich nicht vorsieht. Er hat nur die Wahl, der Tyrann oder der Sklave des Weibes zu sein. Wie er sich hingibt, hat er auch schon den Kopf im Joche und wird die Peitsche fühlen.«
    »Seltsame Maximen!«
    »Keine Maximen, sondern Erfahrungen«, entgegnete er mit dem Kopfe nickend, ich bin im Ernste gepeitscht worden , ich bin kuriert, willst du lesen wie?«
    Er erhob sich und holte aus seinem massiven Schreibtisch eine kleine Handschrift, welche er vor mir auf den Tisch legte.
    »Du hast früher nach jenem Bilde gefragt. Ich bin dir schon lange eine Erklärung schuldig. Da – lies!«
    Severin setzte sich zum Kamin, den Rücken gegen mich, und schien mit offenen Augen zu träumen. Wieder war es still geworden, und wieder sang das Feuer im Kamin, und der Samowar und das Heimchen im alten Gemäuer und ich schlug die Handschrift auf und las:
    »Bekenntnisse eines Übersinnlichen« , an dem Rande des Manuskriptes standen als Motiv die bekannten Verse aus dem Faust variiert:
»Du übersinnlicher sinnlicher Freier,
Ein Weib nasführet dich!«
Mephistopheles
     
    Ich schlug das Titelblatt um und las: »Das Folgende habe ich aus meinem damaligen Tagebuche zusammengestellt, weil man seine Vergangenheit nie unbefangen darstellen kann, so aber hat alles seine frischen Farben, die Farben der Gegenwart.«
     
    Gogol, der russische Molière, sagt – ja wo? – nun irgendwo – »die echte komische Muse ist jene, welcher unter der lachenden Larve die Tränen herabrinnen«.
    Ein wunderbarer Ausspruch!
    So ist es mir recht seltsam zumute, während ich dies niederschreibe. Die Luft scheint mir mit einem aufregenden Blumenduft gefüllt, der mich betäubt und mir Kopfweh macht, der Rauch des Kamines kräuselt und ballt sich mir zu Gestalten, kleinen graubärtigen Kobolden zusammen, die spöttisch mit dem Finger auf mich deuten, pausbäckige Amoretten reiten auf den Lehnen meines Stuhles und auf meinen Knien, und ich muß unwillkürlich lächeln, ja laut lachen, indem ich meine Abenteuer niederschreibe, und doch schreibe ich nicht mit gewöhnlicher Tinte, sondern mit dem roten Blute, das aus meinem Herzen träufelt, denn alle seine längst vernarbten Wunden haben sich geöffnet und es zuckt und schmerzt, und hie und da fällt eine Träne auf das Papier.
     
    Träge schleichen die Tage in dem kleinen Karpatenbade dahin. Man sieht niemand und wird von niemand gesehen. Es ist langweilig zum Idyllenschreiben. Ich hätte hier Muße, eine Galerie von Gemälden zu liefern, ein Theater für eine ganze Saison mit neuen Stücken, ein Dutzend Virtuosen mit Konzerten, Trios und Duos zu versorgen, aber – was spreche ich da – ich tue am Ende doch nicht viel mehr, als die Leinwand aufspannen, die Bogen zurechtglätten, die Notenblätter liniieren, denn ich bin – ach! nur keine falsche Scham, Freund Severin, lüge andere an; aber es gelingt dir nicht mehr recht, dich selbst anzulügen – also ich bin nichts weiter, als ein Dilettant; ein Dilettant in der Malerei, in der Poesie, der Musik und noch in einigen anderen jener sogenannten brotlosen Künste, welche ihren Meistern heutzutage das Einkommen eines Ministers, ja eines kleinen Potentaten sichern, und vor allem bin ich ein Dilettant im Leben.
    Ich habe bis jetzt gelebt, wie ich gemalt und gedichtet habe, das heißt, ich bin nie
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