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Veni, Vidi, Gucci

Titel: Veni, Vidi, Gucci
Autoren: Maria Beaumont
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scheinheilig vor, als wir Beschimpfungen gegen Vodafone oder Orange oder wen auch immer brüllten. Verstehen Sie, eigentlich war ich sogar für den Sendemast. Der Empfang hier in der Gegend ist nämlich unter aller Sau. Und wenn die Handystrahlen allmählich unser Gehirn zerfressen, na und? Wenn die uns nicht alle machen, dann die Terroristen. Oder die Autoabgase. Oder das FCKW. Statt unsere Zeit damit zu verplempern, gegen alles zu protestieren, was uns umbringt, sollten wir da nicht besser erst einmal ein Leben führen, für das es sich zu kämpfen lohnt? Aber ich hielt den Mund. So etwas könnte ich nie laut sagen, und schon gar nicht zu Sureya. Sie ist meine Freundin, und wahre Freundschaft verlangt eben Geduld und Toleranz.
    Sureyas neuestes Feindbild ist McDonald’s, das die Eröffnung einer Filiale auf dem Broadway plant. Sie kramt in ihrer Tasche und zieht ein Bündel loser Seiten hervor, die von einer Papierklammer zusammengehalten werden. Sie scheint bereits mehrere tausend Unterschriften gesammelt zu haben, was mich nicht überrascht. Hier in der Gegend hätte Al Kaida bessere Chancen, ein Rekrutierungsbüro zu eröffnen, als McDonald’s ein Restaurant. Obwohl ich eigentlich nicht unterschreiben möchte – Sie kennen ja bereits meine Meinung zur McGlobalisierung –, tue ich es dennoch. Geduld und Toleranz, wissen Sie noch?
    »Danke, Süße«, sagt Sureya, während der Hausmeister in diesem Moment das Schultor aufschließt. »Ich muss mich jetzt um meinen Nachwuchs kümmern. Bis später.«
    Ich beobachte, wie Sureya ihren Buggy in Richtung Arlington-Kindergarten schiebt, der sich neben dem Hauptgebäude befindet. Ich geselle mich zu den anderen Müttern, die sich mittlerweile eingefunden haben, und wir schlendern gemeinsam in Richtung Grundschule. Gleich darauf spüre ich eine Hand auf meiner Schulter und drehe mich um. Es ist Cassie, Cassie von der hiesigen Moralapostelfraktion.
    »Francesca, wie schön, Sie zu sehen. Ich habe gehofft, dass wir uns heute treffen. Ich möchte Sie nämlich um einen Gefallen bitten.« Cassie wartet meine Antwort nicht ab. »Vielleicht haben Sie schon gehört, dass ich in diesem Jahr für die Garderobe verantwortlich bin«, verkündet sie wichtigtuerisch.
    »Richtig, gut«, entgegne ich. »Und, äh, stimmt mein Outfit?«
    »Wie bitte?«
    »Nun, Sie sagten doch, Sie sind für die Garderobe verantwortlich ...«
    Cassie starrt mich verständnislos an.
    »Oh, sorry, Sie meinten damit gar nicht Garderobe allgemein?«
    Das war ein Scherz, auch wenn ich mir nicht sicher bin, wo ich den hergeholt habe. Früher habe ich ständig Witze gerissen. Aber offenbar bin ich aus der Übung, denn Cassie verzieht keine Miene. Ich zwinge mich zu einem Lächeln. »Das war nur ein Scherz, Cassie. Was wollten Sie mir sagen?«
    »Ach so, ja, ich mache dieses Jahr die Kostüme für Der Zauberer von Oz . Die Weihnachtsaufführung. Von der AREI haben sich bis jetzt drei Freiwillige gemeldet, aber wir brauchen noch eine vierte.«
    Die AREI: die Arlington-Road-Elterninitiative, ein Spitzenteam, das von Cassie auf bewundernswerte Weise (wenn man auf die schikanöse Tour steht) geführt wird und sich der Mission verschrieben hat, im Namen der Nächstenliebe Geld für die Schule zu sammeln. Ich bitte Sie, Arlington ist kein Sozialfall. Gut, es ist eine staatliche Schule, aber sie wird ausschließlich von Kindern besucht, deren Eltern über ein sechsstelliges Einkommen verfügen, den obligatorischen Geländewagen fahren und ihren Urlaub in der Toskana verbringen. Beschwört der Begriff Nächstenliebe nicht Bilder von bis auf das Skelett abgemagerten afrikanischen Kindern mit lauter Fliegen im Gesicht herauf statt von pausbäckigen kleinen Engeln, die in Markenklamotten herumtoben?
    Aber das Sammeln von Spenden für unsere wunderbare Schule ist nichts, worüber man sich lustig machen darf. Wenn man also von Cassie gefragt wird, ob man bereit ist, die Garderobensondertruppe zahlenmäßig zu verstärken, muss man den Drang unterdrücken, ihr eine ablehnende Antwort zu geben, und stattdessen lächeln. Und nicken. Und bereitwillig seine Hilfe anbieten.
    »Natürlich helfe ich gerne«, sage ich daher zu ihr.
    »Das wäre wundervoll«, erwidert sie, wobei sie nichts anderes erwartet hat. »Ich dachte, das ist genau das Richtige für Sie, bei Ihrem Talent.«
    »Talent?« Sie spricht in Rätseln.
    »Haben Sie nicht einmal beim Fernsehen gearbeitet ... oder so ähnlich?«
    Ah, sie glänzt mit ihrem
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