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Veni, Vidi, Gucci

Titel: Veni, Vidi, Gucci
Autoren: Maria Beaumont
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pinkfarben ist. Nun habe ich sogar noch Zeit, um nach einem Outfit für mich zu schauen, bevor ich die Kinder von der Schule abholen muss. Kurz darauf stehe ich vor Karen Millen – wo ich sicherlich keine modischen Geschmacksverirrungen finden werde, wie ich sie früher getragen habe, aber wenn ich schon einmal hier bin, kann ich doch auch mal nach etwas Vernünftigem Ausschau halten, oder?
    Doch offensichtlich hat das keinen Zweck. Ich starre auf die unbestreitbar schöne und elegante Kleidung in der Auslage und gerate stark ins Zweifeln. An einem Model mögen solche Sachen ja gut aussehen, aber an mir?
    Vielleicht sollte ich mir die Idee, ein neues Kleid zu kaufen, wieder aus dem Kopf schlagen und stattdessen irgendeinen ollen Fummel zu der Party anziehen; schließlich ist das meine Party, und den anderen kann es egal sein, wie ich herumlaufe. Aber widerspricht das nicht dem Sinn und Zweck einer Party? Eigentlich versucht man doch, sich möglichst gut in Szene zu setzen: Hey, seht mich an, ich bin zwar wieder ein Jahr älter geworden, aber sehe ich heute nicht sogar noch besser aus als vor zwanzig Jahren? Sagen Sie ehrlich, wer sieht schon besser aus als vor zwanzig Jahren?
    Ich kehre Karen Millen den Rücken und gehe stattdessen in den Starbucks gleich nebenan, wo ich mir einen Riesenbecher Kaffee mit Milchschaum und Schokoladensplittern bestelle. Anschließend gehe ich wieder nach draußen, setze mich an einen kleinen Plastiktisch und koste meine kleine Trotzreaktion aus.
    Richard meidet Starbucks. Er behauptet, Starbucks, McDonald’s und Gap wären die Vorboten des Armageddon. Oder er schimpft etwas weniger hysterisch über die Globalisierung, die Schuld daran ist, dass die Innenstädte veröden. Ich weiß, ich weiß, das ist wirklich ein starkes Stück von einem, der von Adidas und anderen weltweit agierenden Unternehmen bezahlt wird. Klar, in seiner Topposition kann er Starbucks verdammen. Er muss sich ja nicht einmal selbst um seinen Kaffee kümmern. Aber woher will er wissen, dass seine Assistentin ihm nicht einen Kaffee serviert, der aus einem Plastikbecher stammt? Ha! Das nenne ich Gerechtigkeit, entkoffeiniert.
    Richard sollte von seinem hohen Ross heruntersteigen, denn er darf eines nicht vergessen: Vor Starbucks war es praktisch in ganz Großbritannien unmöglich, einen anständigen Kaffee zu bekommen. Und was Richards Hass auf McDonald’s betrifft, kann ich nur sagen: Wenn es das Happy Meal nicht gäbe, hätten Tausende von Müttern bereits ihre Kinder ermordet – und ihren Ehemann wahrscheinlich gleich mit. DAS HAPPY MEAL RETTET LEBEN.
    Es ist äußerst sinnvoll, hier draußen zu sitzen und mich über Richard aufzuregen. So muss ich mich nicht auf die wahren Probleme konzentrieren, nämlich a) dass ich ganz offensichtlich nicht dort war, wo ich vor mehreren Stunden hätte sein sollen, und b) dass ich zudem immer noch kein Kleid für die Party habe. Jetzt reicht die Zeit nämlich gerade noch für den Kaffee und eine Zigarette. Eigentlich will ich ja mit dem Rauchen aufhören, aber vorhin in der U-Bahn-Station habe ich mir eine neue Schachtel gekauft. Der Gedanke an eine Zigarette heitert mich grundsätzlich auf, auch wenn die Zigarette selbst das nicht unbedingt tut. Ich zünde mir eine an und nehme einen langen, tiefen Zug. Ah, welch ein Luxus, eine halbe Stunde nur für mich zu haben ...
    Aber es macht keinen Sinn, mir Zeit zu geben, weil ich die größte Zeitverschwenderin der Welt bin, wie auch mein Nichterscheinen vor ein paar Stunden deutlich belegt – ich verschwende nicht nur meine eigene Zeit, sondern, als Folge, auch die der anderen. Ich darf mir nicht so viele Gedanken darüber machen – das Kind, der Brunnen usw. Ich forme die Lippen zu einem O und stoße einen beinahe perfekten Rauchring aus. Ältere Frau hat der Bursche vorhin gesagt? Von wegen.
 
    Ich bin früh dran. Und zwar so früh, dass ich als Erste vor dem geschlossenen Schultor stehe. Ich überlege, ob ich mir eine anzünden soll, aber das wäre vermessen. Hier in der Gegend raucht man als Frau besser nur da, wo einen keiner sieht. Mit brennender Kippe vor dem Schultor zu stehen ist fast genauso verwerflich, wie auf einer Krebsstation zu rauchen.
    Gleich darauf rollt Sureya mit einem leeren Zwillingsbuggy heran, und obwohl sie keine Kippe im Mund hat, muss ich daran denken, wie sie, als ich sie das erste Mal sah, in eine Diskussion verstrickt war, weil sie sich eine angezündet hatte. Das war auf dem Parkplatz vor dem
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