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Veni, Vidi, Gucci

Titel: Veni, Vidi, Gucci
Autoren: Maria Beaumont
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Halbwissen.
    »Nein. Ich habe überwiegend für den Rundfunk gearbeitet. Obwohl – ich habe auch mal bei Spitting Image mitgemacht.«
    »Diese Satireshow mit den Puppen?« Aus Cassies Mund klingt es wie die Show für Drogensüchtige, Geldwäscher und Pädophile.
    »Ja, richtig.« Ich lächle.
    »Und welche Kostüme haben Sie gemacht?«
    Oh, ich verstehe. Cassie denkt, ich habe die für die Latexpuppen gemacht.
    »Ich kann mit Nadel und Faden nicht umgehen«, entgegne ich. »Ich habe die Stimmen gemacht.«
    Ich lasse diesen Satz kurz wirken, aber mir wird schnell klar, dass Cassie nicht sagen wird: »Wow, wie interessant!« oder: »Mein Gott, was für eine Begabung!«, geschweige denn überhaupt etwas. Sie hat diesen toten Gesichtsausdruck, als wären ihr mehrere Liter Botox unter die Haut gespritzt worden und als hätte sie keine Kontrolle mehr über ihre Gesichtsmuskeln.
    » Stimmen «, wiederholt sie schließlich, um wenigstens etwas zu sagen.
    Ich lache verlegen. »Ich weiß. Das ist ein seltsames Talent, nicht wahr?«
    In der normalen Welt, sagen wir bei einem Treffen mit Bekannten in einer Kneipe, wäre diese winzige Information der perfekte Eisbrecher gewesen. Statt mit langweiligem Smalltalk würde man mich mit Namen bombardieren, in der Hoffnung, jemanden zu erwischen, den ich nicht imitieren kann. Namen wie Madonna, Marilyn Monroe, Micky Maus, Marge Simpson und sogar Marlene Dietrich. Und das sind nur die, die mit M anfangen. Wie bereits erwähnt, ein seltsames Talent, aber was soll ich sagen? Das ist nun einmal meine spezielle Begabung.
    Cassie bittet mich allerdings nicht darum, meine Jade aus Big Brother zum Besten zu geben oder vielleicht sogar meine Judi Dench, nicht in einer Million Jahren. Nein, das wäre ja wie ein Eingeständnis, dass es sie interessiert. Was nicht der Fall ist.
    »Wir brauchen Hüte«, teilt sie mir kurz und bündig mit, bevor sie weitergeht. »Ich gebe Ihnen noch eine Liste mit der genauen Anzahl der jeweiligen Hutformen.«
    »Wie auch immer ... du eingebildete Schlange«, würde ich am liebsten sagen, verkneife es mir aber.
    Ich suche Mollys Klassenzimmer auf und stelle fest, dass ich mittlerweile spät dran bin, obwohl ich als Erste vor dem Schultor stand. Mrs Poulson starrt mich zornig an, als sie mir meine Tochter überreicht. Mit schlechtem Gewissen schnappe ich Mollys Hand und ziehe sie nach draußen in Richtung Sportplatz, wo wir, wie ich weiß, Thomas finden werden. Dort ist er nämlich immer, um bis zur letzten Minute mit dem Ball zu spielen, bevor es nach Hause geht zu den Schulaufgaben. Als wir uns nähern, tut er so, als würde er uns nicht bemerken, und ich beschließe, ihm noch fünf Minuten zu geben. Ich sehe ihm zu, wie er den Ball mit den Füßen, den Oberschenkeln, der Brust und dem Kopf jongliert und Tricks hervorzaubert, die mich immer noch in Ehrfurcht versetzen. Was soll ich sagen? Das ist nun einmal seine spezielle Begabung.
    Molly zerrt an meinem Ärmel. »Mummy, machst du für mich Mrs Gottfried?«
    »Nein, Herzchen, nicht hier.«
    »Oh bitte. Die doofe Mrs Gottfried. Biii-tte. «
    Ich bin schnell weichzukriegen. Ich gehe in die Knie und sage zu Molly im Flüsterton: »Du gibst jetzt keinen einzigen Mucks mehr von dir, bis die Stunde beendet ist«, mit dem leichten deutschen Akzent, den alle Schüler bereits in der ersten Klasse kennen und fürchten lernen. Ich warte auf Mollys Kichern, aber es bleibt aus.
    »Mrs Clark, wir müssen dringend miteinander reden, vorausgesetzt, Sie haben Zeit.«
    Oh mein Gott. Das war nicht ich. Oder doch? Nein. Und wenn ich es nicht war, dann kann es nur ...
    »Mrs Gottfried«, stoße ich hervor, während ich zu ihr hochschaue, wobei ich wegen der tief stehenden Septembersonne die Augen mit der Hand abschirmen muss. »Ja, sicher ... Äh, worüber denn?«
    Hat sie mich gerade gehört? Droht jetzt Ärger? Wahrscheinlich steht auf »die Konrektorin nachäffen« Tod durch den Strang. Ich bin verloren, ganz sicher. Meine Knie schlottern, als ich mich wieder aufrichte. Ich spüre, wie Molly neben mir zittert, und lege beschützend den Arm um sie.
    »Geht es um Thomas?«, frage ich unnötigerweise. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich mich vor der Schulleitung für meinen »anspruchsvollen« Sohn rechtfertigen muss.
    »Dies hier ist nicht der geeignete Ort«, entgegnet Mrs Gottfried mit schnarrender Stimme, »aber wir müssen uns bald unterhalten. Rufen Sie mich an, und wir machen einen Termin aus.«
    Ihre Augen funkeln
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