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Veni, Vidi, Gucci

Titel: Veni, Vidi, Gucci
Autoren: Maria Beaumont
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aufstößt. Er trägt eine Zahnspange, und in Kürze – wahrscheinlich sobald das letzte Paar Schuhe zum Schleuderpreis verramscht wurde – wird er arbeitslos sein.
    »Hier, nehmen Sie.« Ich nehme die Mütze ab, ohne mich um meine Frisur zu kümmern. »Geben Sie sie Ihrer Schwester.«
    »Sie verarschen mich, oder?«
    »Nein, im Ernst. Außerdem bin ich dafür schon zu alt.«
    Ich schenke ihm ein Lady-Di-Lächeln mit gesenktem Blick und leicht schräger Kopfhaltung und warte darauf, dass er sich wie ein Kavalier verhält.
    »Aber so eine Mütze können auch ältere Frauen tragen. Missy Elliott ist ja selbst das beste Beispiel dafür.«
    Während er lacht, denke ich kurz über seine Bemerkung nach. In der Tat, er hat mich soeben eine ältere Frau genannt. Wer auch immer gesagt hat, dass die Jugend von den Jugendlichen vergeudet wird, war höchstwahrscheinlich schon älter. Bis dieser Knabe hier weiß, wie man »Kavalier« buchstabiert, wird er seine hingeworfene Bemerkung, die der »älteren Frau« einen schlimmen Stich versetzt hat, längst vergessen haben. Mit einem Mal komme ich mir total dämlich vor und möchte nur noch rasch verschwinden. Ich drücke dem Jungen die Mütze in die Hand.
    »Aber Sie können sie mir doch nicht einfach schenken«, sagt er und streicht ehrfürchtig über den schwarzen Filz, als würde er die Hiphop-Queen höchstpersönlich streicheln.
    »Betrachten Sie es einfach als ein Geschenk von einer Fremden«, sage ich in meiner besten Marlene-Dietrich­Imitation. Fragen Sie nicht, warum. Es schien mir an dieser Stelle passend. Danach drehe ich mich um und trete wieder aus seinem Leben.
    Eigentlich habe ich zu tun, und vor einem Schaufenster über mein Spiegelbild grübeln steht sicher nicht auf meinem Tagesprogramm. Haha, mein Tagesprogramm. Das habe ich bereits umgeworfen. Ich sollte im Moment nämlich ganz woanders sein, doch offensichtlich bin ich dort nicht. Aber es macht keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, oder? Schließlich ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Nein, am besten, ich gehe einfach weiter. Und genau das mache ich gerade. Ich entferne mich von dem Sportschuhladen und nähere mich Geschäften, in denen ich vielleicht fündig werde. Nachdem ich mein Vormittagsprogramm komplett über den Haufen geworfen habe, besteht meine einzige Hoffnung, den Tag noch zu retten, darin, wenigstens ein paar nützliche Einkäufe zu erledigen. Meine Einkaufsliste:
 
    Geschenk für Richards Schwester
    Winterjacke für Molly
    Party-Outfit für mich
 
    Natürlich in dieser Reihenfolge.
    Vor einer halben Stunde stand ich kurz davor, für Richards Schwester ein Geschenk zu kaufen. Mein Plan war, kurz bei Liberty hineinzuhuschen und meiner schrecklichen Schwägerin irgendwas zu kaufen, das möglichst teuer aussieht. Aber als ich vor dem Laden stand, zog mich die Carnaby Street magisch an, wie ein Staubsauger.
    Der Mensch, der ich früher war, liebte die Carnaby Street – in den guten alten Zeiten. Vor zehn Jahren arbeitete Richard in einem gläsernen Büroturm gleich um die Ecke auf der Great Pultney Street. Durch meine Arbeit war ich häufig in Soho, und dann trafen wir uns immer in der Mittagspause ... Wie gesagt, der Mensch, der ich früher war. Eine Frau, die unbefangen trendige Baseballcaps trug, ohne sich um die Blicke der anderen zu kümmern.
    Aber diese Frau ist eine Million Meilen weit weg von der, die sich über Turnschuhe mit Plateausohlen lustig macht und sich fragt, was aus der Welt geworden ist. Während ich mich zwinge, zu Liberty zurückzugehen, wird mir bewusst, dass nicht die Welt sich verändert hat, sondern ich mich. Vor zehn Jahren habe ich viel Geld für alberne Klamotten ausgegeben, um meine Individualität auszudrücken. Damals stand das Aussehen noch an zweiter oder dritter Stelle auf meiner Prioritätenliste. »Waschmittel kaufen« tauchte übrigens noch gar nicht auf.
 
    Nachdem ich mich einmal dazu durchgerungen habe, ist es ganz einfach, ein Geschenk für Fiona zu finden: zu Liberty gehen, ein völlig überteuertes (Fiona legt auf so etwas Wert), ledergebundenes Fotoalbum aussuchen, es als Geschenk verpacken lassen – Mission erfüllt. Mollys Jacke ist sogar noch einfacher. Ich betrete H & M in der Absicht, mir die erste pinkfarbene Plüschjacke zu schnappen, die mir ins Auge sticht. Fünf Minuten später verlasse ich den Laden wieder und gratuliere mir insgeheim dazu, dass es mir gelungen ist, eine Jacke zu finden, die sowohl plüschig als auch
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