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Vegetarismus - Grundlagen, Vorteile, Risiken

Vegetarismus - Grundlagen, Vorteile, Risiken

Titel: Vegetarismus - Grundlagen, Vorteile, Risiken
Autoren: Claus Leitzmann
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das Streben nach Askese, einer Enthaltsamkeit in allen Lebensbereichen und somit auch in der täglichen Kost, in den Mittelpunkt ihres Glaubens. Durch eine religiöse, sittliche Lebensweise und das Streben nach Reinheit sah diese religiös-ethische Bewegung die Möglichkeit der Befreiung der Seele. Ihre Anhänger mieden den Verzehr alles „Beseelten“. Neben dem Verbot des Fleischkonsums war es ihnen auch nicht gestattet, Eier zu essen oder Wolle zu tragen. Durch die völlige und andauernde Enthaltsamkeit verliehen die Orphiker dem griechischen Religionsverständnis neue Impulse, denn das Meiden des Verzehrs bestimmter Nahrungsmittel stellte im Vergleich mit den damals üblichen kultischen Speiseverboten etwas völlig Neuartiges dar.
    Die Ablehnung von Fleisch wurde von Pythagoras (Philosoph und Mathematiker, Griechenland, 570–500 v. Chr.) aufgegriffenund weitergeführt. Auf seinen Reisen kam er als einer der ersten Europäer mit der asiatischen Welt, ihrem Gedankengut und ihren Religionen in Berührung. Im 6. Jahrhundert v. Chr. wirkten in Asien Männer wie Siddharta Gautama, genannt Buddha (Religionsstifter, Indien 560–480 v. Chr.), Lao-tse (Philosoph, China, 6. Jahrhundert v. Chr.) und Kung-fu-tse, genannt Konfuzius (Philosoph, China, 551–479 v. Chr.), die wesentliche Fundamente für die östlichen Religions- und Glaubenssysteme legten. Das Meiden des Verzehrs von Fleisch und damit der Nichtverzehr von „beseelten“ Wesen, basierend auf dem Glauben an Seelenwanderung und Wiedergeburt (Reinkarnation), wurde zu einem wesentlichen Bestandteil des
Pythagoräismus,
wie die vegetarische Lebensweise bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezeichnet wurde.
    Da Pythagoras selbst keine Schriften hinterlassen hat, wissen wir von seinen Lehren vor allem aus Aufzeichnungen Dritter. So berichtete etwa Ovid (Dichter, Italien, 43 v. bis 17 n. Chr.): „Dort war ein Mann. Aus Samos gebürtig. […] Der drang […] im Geist zu den Göttern; und was die Natur den menschlichen Blicken verbarg, er sah’s mit dem inneren Auge.“ Seine Erkenntnisse von Anfang und Wesen der Welt, von der Natur und von Gott trug er schließlich Schülern vor. Zuerst rügte er, so Ovid weiter, „daß Beseeltes aufgetischt werde als Mahl“.
    Auch Plutarch (Philosoph, Griechenland, 46–120) äußerte sich zum Fleischverzehr: „Du fragst, was Pythagoras bewog, kein Fleisch zu essen. Ich aber frage Dich, was für einen Mut der Mensch gehabt haben muß, der zuerst ein blutiges Stück Fleisch in den Mund steckte von Tieren, die noch im Augenblicke vorher blökten, brüllten, liefen und sehen konnten. Wie konnte seine Hand einem empfindsamen Wesen ein Messer ins Herz stoßen, und wie konnten seine Augen einen Mord ertragen? […] Staunen muß man über diejenigen, die diese grausamen Mahlzeiten anfingen, nicht über diejenigen, die sich ihrer enthielten.“ Die logische und praktische Konsequenz dieser Einstellung zu Tieren war der Vegetarismus.
    Auch gut 500 Jahre nach Pythagoras bekannten sich antike Denker zum Vegetarismus, beispielsweise Porphyrios (Philosoph, Griechenland, 233–304): „Tieren die Kehlen abzuschneiden, sich mit ihrem Mord zu besudeln und sie zu kochen, nicht etwa aus Not und um unser Leben zu erhalten, sondern aus Wollust und Genußsucht: das ist über alle Maßen schlecht und abscheulich.“
    Dennoch darf nicht vergessen werden, daß auch bei den Menschen der Antike die freiwillig gewählte vegetarische Kost eher die Ausnahme war. Der Verzehr von Fleisch als mythischem Kraftspender vor dem Kampf oder blutige Tieropfer zur Besänftigung der Götter waren hingegen die Regel. Doch auch zu dieser Zeit wiesen Ärzte, allen voran Hippokrates (Arzt, Griechenland, 460–370 v. Chr.), bereits auf die negativen gesundheitlichen Folgen eines zu hohen Fleischkonsums hin. Hippokrates verordnete Fasten, Vollkornbrot, Obst und rohes Gemüse und steht somit heutigen Ernährungsempfehlungen erstaunlich nahe.
    Während der vielen Jahrhunderte zwischen der Antike und dem Beginn der Industrialisierung sind nur wenige Denker, Philosophen und andere prominente Persönlichkeiten überliefert, die sich zu einer vegetarischen Lebensweise bekannten. Einer von ihnen war Leonardo da Vinci (Maler und Erfinder, Italien, 1452–1519).
2. Zeitalter der
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